Entscheidungsstichwort (Thema)
"Wetterdaten für Luftfahrzeugführer" Datenbankschutz in Abgrenzung zum Datenhaufen
Leitsatz (amtlich)
1. Der Annahme einer nach § 87a Abs. 1 UrhG geschützten elektronischen Datenbank steht nicht entgegen, dass die Daten ungeordnet in den physischen Speicher eingegeben werden, wenn der Datenbestand mit einem Abfragesystem verbunden ist, das zielgerichtete Recherchen nach Einzelelementen in dem Datenbestand ermöglicht. Der Datenbankschutz setzt eine Bearbeitung der in die Datenbank aufgenommenen Einzelinformationen nicht voraus.
2. Eine Vervielfältigung von Teilen der geschützten Datenbank, welche die berechtigten Interessen des Datenbankherstellers unzumutbar beeinträchtigt, kann auch in einer nur vorübergehenden Vervielfältigung wie der Festlegung im Arbeits- oder Zwischenspeicher eines Computers und zeitnaher Löschung der Daten liegen.
3. Die vom Deutschen Wetterdienst mit dem System pc-met ausdrücklich nur den Luftverkehrsteilnehmern angebotenen Wetterinformationen sind keine gemeinfreie amtliche Veröffentlichung i.S.d. § 5 Abs. 2 UrhG.
4. Soweit ein Datenbankhersteller nach einer im Rahmen des § 87a UrhG vorzunehmenden Interessenabwägung Schutz genießt, ist er nicht nach den Vorschriften des Umweltinformationsgesetzes (UIG) zu kostenlosen Auskünften verpflichtet.
5. In der unbefugten Entnahme von Daten aus einer geschützten Datenbank liegt kein konkludenter Verfahrensantrag auf Informationsüberlassung nach dem UIG.
Normenkette
UrhG § 5 Abs. 2, § 87a Abs. 1, § 87b Abs. 1 S. 2, § 87c Abs. 1 S. 1 Nr. 1; UIG § 3 Abs. 1 S. 2, § 4 Abs. 1 S. 1; UIG a.F. § 8 Abs. 1 Nr. 2; UIG n.F. § 9 Abs. 1 Nr. 2; DWDG § 4 Abs. 1 Nr. 2; Richtlinie 96/9/EG v. 11.3.1996
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 18.11.2005; Aktenzeichen 28 O322/04) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 18.11.2005 verkündete Urteil des LG Köln - 28 O 322/04 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat auch die Kosten der Berufung zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin als Trägerin des Deutschen Wetterdienstes (DWD) nimmt die Beklagte, einen vor allem als Internet-Anbieter metereologischer Informationen tätigen privaten (werbefinanzierten) Wetterdienst, auf Schadensersatz in Form einer angemessenen Lizenzgebühr wegen unerlaubter Nutzung ihres eigenen Internetangebots q. in Anspruch, bei dem es sich um ein vorwiegend von Luftfahrzeugführern nachgefragtes und für diese bestimmtes System zum Abruf von Flugwetterinformationen handelt. Der Geschäftsführer der Beklagten Dr. L. hatte sich Ende 2000 unter dem Namen der nicht existenten Person K. M. (zusammengesetzt aus dem Vornamen seiner 2000 geborenen Tochter und dem Nachnamen seiner Ehefrau) zur Benutzung von Daten aus q. angemeldet; von Juli 2003 bis zur Sperrung des Zugangs durch den DWD am 13.2.2004 rief er unter der Kennung "l." regelmäßig in größerem Umfang Flugwetterdaten aus q. ab. Das LG, auf dessen Urteil wegen aller Einzelheiten des in erster Instanz festgestellten Sachverhalts und der rechtlichen Bewertung durch die Kammer verwiesen wird (Bl. 630 ff. d.A.), hat die Beklagte - nach Zeugenvernehmung - wegen leistungsschutzrechtswidriger Verwertung einer geschützten Datenbank zur Zahlung von 55.778,56 EUR (als fiktive Lizenzgebühr für acht Monate zu je 6.972,32 EUR) verurteilt.
Mit ihrer Berufung macht die Beklagte, die ihren Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt, unter Vertiefung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vortrags im Wesentlichen geltend:
Angesichts ihrer sonstigen (in der Berufungsbegründung aufgezählten) Datenquellen sei sie auf die Daten in q. niemals angewiesen gewesen. Es handele sich dabei um keine Datenbank, sondern um einen bloßen Datenhaufen aus gemeinfreien Rohdaten; diese habe ihr Geschäftsführer nur zu privaten Zwecken und zur Überprüfung ihrer Aktualität abgefragt. Hilfsweise mache sie sich den Vortrag der Klägerin zu eigen, dass die Daten mit ihrem Willen und in ihrem Namen regelmäßig abgefragt worden seien; dann liege darin ein konkludenter Antrag auf kostenlosen Informationszugang nach dem Umweltinformationsgesetz gemäß dessen europarechtlichen Vorgaben. Jedenfalls habe sie einen entsprechenden Antrag - wie mit Schriftsatz vom 5.10.2006 (Bl. 834 d.A.) geschehen - nachholen können; sie beantragt, den vorliegenden Rechtsstreit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verwaltungsverfahrens auszusetzen. Zur Höhe wendet die Beklagte ein, dass als Schaden der Klägerin allenfalls der von Providern verlangte Pauschalpreis und keineswegs das Lizenzentgelt für den (nicht vollständig ins METAR-Format übertragenen) Synop-Datensatz zugrunde gelegt werden dürfe. Schließlich sei ihr Vorbringen zum Mitverschulden der Klägerin übergangen worden.
Die K...