Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 21.01.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Aachen - 9 O 428/20 - wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung des Klägers wird das am 21.01.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Aachen - 9 O 428/20 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass folgende Erhöhungen des Monatsbeitrags in der zwischen dem Kläger und dem Beklagten bestehenden Krankenversicherung mit der Versicherungsnummer N01 unwirksam waren:

a) im Tarif N02 die Erhöhung zum 01.01.2013 in Höhe von 46,33 EUR bis zum 31.12.2019,

b) im Tarif N03 die Erhöhung zum 01.01.2013 in Höhe von 0,17 EUR bis zum 31.12.2017,

c) im Tarif N02 die Erhöhung zum 01.01.2014 in Höhe von 22,59 EUR bis zum 31.12.2019,

d) im Tarif N02 die Erhöhung zum 01.01.2015 in Höhe von 7,21 EUR bis zum 31.12.2019,

e) im Tarif N03 die Erhöhung zum 01.01.2018 in Höhe von 0,28 EUR bis zum 31.03.2021.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 1.838,04 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.837,76 EUR seit dem 09.01.2021 und aus weiteren 1,40 EUR seit dem 03.05.2022 zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass der Beklagte dem Kläger zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die er seit dem 01.01.2018 aus den unter Ziffer 1) aufgeführten Beitragserhöhungen gezogen hat, und zwar

a. soweit Beitragszahlungen bis Oktober 2020 erfolgt sind bis zum 08.01.2021 und

b. soweit Beitragszahlungen für die Monate November 2020 bis März 2021 erfolgt sind bis zum 02.05.2022.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 86 % und der Beklagte zu 14 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 69 % und der Beklagte zu 31 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II. 1. Die Berufung des Beklagten bleibt ohne Erfolg. Die Berufung des Klägers führt zur Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung (nur) in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.

a. Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.

aa. Ohne Erfolg wendet sich der Beklagte gegen die Feststellung der Unwirksamkeit der Beitragsanpassungen im Tarif N02 zum 01.01.2013 bis zum 31.12.2019, im Tarif N03 zum 01.01.2013 bis zum 31.12.2017, im Tarif N02 zum 01.01.2014 bis zum 31.12.2019 und im Tarif N02 zum 01.01.2015 bis zum 31.12.2019.

(1) Entgegen der Rüge des Beklagten hat das Landgericht die Unwirksamkeit der Beitragsanpassungen in den Tarifen N02 und N03 zum 01.01.2013 zu Recht festgestellt. Die Anpassungen stellen sich als bereits aus formellen Gründen unwirksam dar.

(a) Grundsätzlich gilt: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. nur BGH, Urteil vom 16.12.2020, Az. IV ZR 294/19 und zuletzt Urteil vom 31.08.2022, Az. IV ZR 252/20 - beide zitiert nach juris) erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Der Versicherer muss dabei zwar nicht mitteilen, in welcher Höhe sich diese Rechnungsgrundlage verändert hat. Er hat auch nicht die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, wie z.B. des Rechnungszinses, anzugeben. Der Versicherungsnehmer muss den Mitteilungen aber mit der gebotenen Klarheit entnehmen können, dass eine Veränderung der genannten Rechnungsgrundlagen über dem geltenden Schwellenwert die konkrete Beitragserhöhung ausgelöst hat (vgl. BGH, Urteil vom 09.02.2022, Az. IV ZR 337/20; Urteil vom 21.07.2021, Az. IV ZR 191/20; BGH, Urteil vom 20.10.2021, Az. IV ZR 148/20; BGH, Urteil vom 17.11.2021, Az. IV ZR 113/20 - jeweils zitiert nach juris). Ihm muss daher insbesondere auch verdeutlicht werden, dass es überhaupt einen vorab festgelegten Schwellenwert für eine Veränderung der betreffenden Rechnungsgrundlage gibt, dessen Überschreitung die hier in Rede stehende Prämienanpassung ausgelöst hat (vgl. insbesondere BGH, Urteil vom 31.08.2022, Az. IV ZR 252/20 - juris-Rz. 13; ferner BGH, Urteil vom 22.06.2022, Az. IV ZR 253/20; Urteil vom 09.02.2022, Az. IV ZR 337/20; Urteil vom 21.07.2021, Az. IV ZR 191/20; so ausdrücklich auch OLG Celle, Urteil vom 13.01.2022, Az. 8 U 134/21 - zitiert nach juris; OLG Oldenburg, Urteil vom 20.12.2021, Az. 8 U 2488/21; OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.11.2021, Az. 7 U 125/21). Soweit der Beklagte demgegenüber auch weiterhin die Auffassung vertritt, der BGH-Rechtsprechung lasse sich das Erfordernis der Angabe, dass ein Schwellenwert überschritten sei, nicht entnehmen, ist dies mit der BGH-Rechtsprechung nicht in Einklang zu bringen. So heißt es in der jüngsten BGH-Entscheidung vom 31.08.2022 (Az. IV ZR 252/20 - juris-Rz. 13) ausdrücklich (Hervorhebung nic...

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