Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine vorsorgliche Aufklärungspflicht im Hinblick auf mögliche Fehlvorstellungen bei Bauch-OP
Leitsatz (amtlich)
Die geschuldete Aufklärung über den ärztlichen Eingriff "im Großen und Ganzen" im Falle einer umfangreichen Bauch-Operation, die wegen des hochgradigen Verdachtes auf ein Bauchspeicheldrüsen-Karzinom erfolgt und die Entfernung von Teilen einiger Organe zum Gegenstand hat, erfordert nicht die ausdrückliche Ausräumung etwaiger (dem Arzt unbekannter) Fehlvorstellungen beim Patienten, dass zunächst nur eine intraoperative Abklärung erfolge und die Operation abgebrochen werde, sollte sich der Karzinomverdacht nicht weiter erhärten.
Normenkette
BGB §§ 249, 280, 611, 823
Verfahrensgang
LG Bonn (Urteil vom 05.10.2015; Aktenzeichen 9 O 82/14) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Bonn vom 05.10.2015 - 9 O 82/14 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das vorliegende Urteil und die angefochtene Entscheidung sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin wurde am 17.01.2011 wegen des Verdachts auf Pankreaskopfkarzinom im Hause der Beklagten zu 1) operiert. Es wurde eine Operation nach "Whipple-Kausch" vorgenommen, bei der unter anderem Anteile der Bauchspeicheldrüse, des Magens und des Zwölffingerdarms entfernt wurden. Eine nach Operationsende durchgeführte pathologisch-anatomische Untersuchung des entnommenen Präparates bestätigte den Verdacht auf Pankreaskarzinom nicht. Festgestellt wurde eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse, eine so genannte Pankreatitis.
Die Klägerin hat behauptet, die durchgeführte Operation nach Kausch-Whipple sei nicht indiziert gewesen. In den Eingriff habe sie auch nicht eingewilligt. Ihr sei vor der Operation gesagt worden, dass eine umfangreiche Operation mit Entnahme der Bauchspeicheldrüse nur dann erfolgen würde, wenn sich der Krebsverdacht intraoperativ bestätigen würde. Nur unter dieser Bedingung sei sie mit dem Eingriff einverstanden gewesen. Sie hat behauptet, seit der Operation unter erheblichen Beschwerden insbesondere in Form von Durchfällen, Fettstühlen, Blähungen, Sodbrennen und ständiger Übelkeit zu leiden.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes, angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basissatz seit dem 03.04.2014 zu zahlen;
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 7.773,70 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basissatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen sowie vorgerichtliche Kosten i.H.v. 1.094,80 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basissatz seit dem 03.05.2014 zu zahlen;
3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr alle weiteren, derzeit nicht absehbaren immateriellen und kongruenten materiellen Schäden, letztere soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden, zu ersetzen, die ihr dadurch entstehen werden, dass bei ihr am 17.01.2011 ohne Schonung des Magens und des Zwölffingerdarms eine Operation nach Kausch-Whipple durchgeführt wurde.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie haben eine ordnungsgemäße Operationsaufklärung behauptet. Keinesfalls sei der Klägerin gesagt worden, dass die Operation nach Kausch-Whipple nur bei einem sich intraoperativ bestätigenden Karzinom erfolgen werde. Eine solche Zusage wäre medizinisch unsinnig gewesen, da ein Pankreaskarzinom intraoperativ gar nicht habe ausgeschlossen werden können.
Wegen der Einzelheiten des streitigen Vorbringens der Parteien und der tatsächlichen Feststellungen des LG wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil (Bl. 382 ff d.A.) Bezug genommen.
Das LG hat Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. T (schriftliches Gutachten vom 23.02.2014, Bl. 235 ff. d.A. und mündliche Anhörung in der Sitzung vom 22.06.2015 erläutert hat, Bl. 302 ff. d.A.), durch Vernehmung der Zeugen L, L2, L3 und Dr. I und Anhörung der Klägerin und des Beklagten zu 3) (Sitzungsprotokolle vom 22.06.2015, Bl. 301f d.A. und vom 14.09.2015, Bl. 343 ff. d.A.). Anschließend hat das LG die Klage abgewiesen. Behandlungsfehler seien nicht feststellbar. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei die durchgeführte Operation nach Kausch-Whipple aufgrund des hochgradigen Verdachts auf Pankreaskopfkarzinom indiziert gewesen. Ein sicherer Ausschluss des Krebsverdachts habe auf andere Weise nicht erfolgen können, insbesondere sei es ohne Gefährdung des Lebens der Klägerin nicht möglich gewesen, durch intraoperative Entnahme von Gewebematerial und histologische Schnelluntersuchung ein Karzinom auszuschließen. Es stehe nach Anhörung der Parteien und Vernehmung von Zeugen ferner fest, dass die Klägerin ordnungsgemäß aufgeklärt und diese uneingeschränkt in die durchgeführte ...