Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein psychologischer Kaufzwang und kein übertriebenes Anlocken bei Bewerbung eines „Gastronomie-Gutscheins” im Wert von 10 DM durch eine Möbelhaus-„Wertreklame”
Normenkette
VWG § 1
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 84 O 23/00) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 6.7.2000 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des LG Köln – 84 O 23/00 – geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Gründe
Die zulässige Berufung der Beklagten, des sog. R. Möbelzentrums, hat in der Sache Erfolg. Denn unter den im Streitfall obwaltenden Umständen verstößt ihre mit der Klage angegriffene Werbung entgegen der Auffassung des Klägers nicht gegen § 1 UWG, und zwar weder unter dem Gesichtspunkt des psychologischen Kaufzwangs noch unter dem Aspekt des sog. überschriebenen Anlockens. Der Kläger hat deshalb keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte es unterlässt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Werbeschreiben wie nachstehend verkleinert wiedergegeben einen „Gastronomie-Gutschein” für sämtliche Gastronomiebereiche in einem Gesamtwert von 10 DM zu bewerben und/oder einen solchermaßen beworbenen Gastronomie-Gutschein einzulösen:
Ohne Erfolg beanstandet die Beklagte allerdings die Prozessführungsbefugnis des Klägers, einer Vereinigung von Verbänden und Vereinigungen zur Förderung des lauteren Wettbewerbs, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben es unter anderem gehört, unlauteren Wettbewerb durch die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen zu bekämpfen. Bei dieser Prozessführungsbefugnis i.S.d. § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes um eine Prozessvoraussetzung. Sie ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (vgl. nur BGH GRUR 2000, 1093 [1094] = WRP 2000, 2206 [2207] – Fachverband; v. 18.10.1995 – I ZR 126/93, BGHZ 131, 90 [91] = MDR 1996, 276 = GRUR 1996, 217 – Anonymisierte Mitgliederliste; GRUR 1998, 417 = WRP 1998, 175 – Verbandsklage in Prozessstandschaft). Dazu gehört, dass der klagende Verband die gewerblichen Interessen seiner Mitglieder wahrnimmt und hierzu nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung tatsächlich in der Lage ist, § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG. Bei Verbänden, die ordnungsgemäß gegründet und aktiv tätig sind, spricht hierfür eine tatsächliche Vermutung, die der Gegner zu widerlegen hat (st. Rspr. des BGH; vgl. zuletzt etwa BGH GRUR 2000, 1093 [1095] – Fachverband mit zahlreichen Nachweisen aus seiner Rechtsprechung und dem juristischen Schrifttum). In Anbetracht der Tatsache, dass der Kläger gerichtsbekanntermaßen seit Jahren seine satzungsgemäßen Ziele verfolgt und seit langer Zeit unbeanstandet als klagebefugt angesehen worden ist, reicht demgemäß der Sachvortrag der Beklagten, sie bestreite den Vortrag des Klägers, er sei in der Lage, seine satzungsgemäßen Aufgaben zu verfolgen, nicht aus, um seine Prozessführungsbefugnis in Zweifel zu ziehen.
In der Sache selbst verlangt der hiernach klagebefugte und auch aktivlegitimierte Kläger von der Beklagten allerdings zu Unrecht Unterlassung der in der konkreten Verletzungsform beanstandeten Werbung. Diese ist dem Bereich der sogenannten Wertreklame zuzurechnen. Deren Besonderheit gegenüber der durch Bild- und Wortreklame realisierten sogenannten Aufmerksamkeitswerbung besteht darin, dass dem Umworbenen zu Werbezwecken geschenkweise eine Vergünstigung gewährt wird. Das Versprechen und/oder die Gewährung solcher Werbegeschenke ist ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht stets als wettbewerbswidrig einzuordnen und deshalb unlauter. Vielmehr bedarf es, um der Hingabe von Geschenken zu Werbezwecken mit Erfolg den Vorwurf der wettbewerblichen Unlauterkeit entgegenhalten zu können, des Hinzutretens besonderer Umstände, welche die Vergünstigung im Einzelfall als anstößig erscheinen lassen. An das Vorliegen derartiger, die etwaige Sittenwidrigkeit i.S.v. § 1 UWG begründender Umstände sind allerdings im Falle der Wertreklame in aller Regel weniger strenge Anforderungen zu stellen, als sie bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung einer bloßen Aufmerksamkeitswerbung zugrunde zu legen sind. Denn die den Rahmen reiner Aufmerksamkeitswerbung überschreitende Wertreklame bringt die Gefahr mit sich, dass die angesprochenen Verkehrskreise in ihren wirtschaftlichen Entscheidungen unsachlich beeinflusst werden, insbesondere dazu veranlasst werden können, ihre Wahl für ein Angebot nicht in erster Linie nach ihren Vorstellungen über die Preiswürdigkeit und die Qualität der konkurrierenden Waren zu treffen, sondern vor allem danach, wie sie in den Genuss der ausgelobten Vergünstigung gelangen können. Das ist gegebenenfalls mit den Grundsätzen des Leistungswettbewerbs nicht vereinbar, in dem die Mitbewerber ihre wettbewerbsrechtliche Stellung jeweils mit der Qualität und/oder der Preiswürdigkeit ihr...