Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Frage, ob eine Kundenzeitschrift eine erforderliche Unterlage i.S.v. § 86a Abs. 1 HGB ist und eine Vereinbarung über die Kostentragung durch den Handelsvertreter nach § 86a Abs. 3 HGB unwirksam ist, sowie zur Frage, ob eine Vereinbarung, nach der ein Handelsvertreter eine EDV-Kostenpauschale zu tragen hat, nach § 86a Abs. 3 HGB unwirksam ist

 

Leitsatz (amtlich)

Die Frage, ob die in § 86a Abs. 1 HGB exemplarisch aufgezählten Unterlagen ohne weiteres und zwangsläufig als "erforderlich" im Sinne dieser Vorschrift gelten, wird in Literatur und Rechtsprechung - soweit ersichtlich - bislang nicht problematisiert und bedarf hinsichtlich der hier in Rede stehenden Kundenzeitschrift auch keiner Entscheidung, da die vertragliche Regelung der Parteien darüber, dass die Kosten, die für die Durchführung von Sonderinformationen und besonderen oder zentralen Werbemaßnahmen entstanden sind, von den Vermittlern zu tragen sind, jedenfalls nach § 86a Abs. 3 HGB unwirksam ist, weil die Kundenzeitschrift als "erforderliche Unterlage" i.S.d. § 86a Abs. 1 HGB anzusehen ist.

Dabei ist maßgebend darauf abzustellen, ob es sich hierbei um produktspezifische, der Sphäre des Geschäftsherrn zuzurechnende Hilfsmittel handelt, die den Handelsvertreter bei seinen Verkaufsbemühungen und der Produktanpreisung sachgerecht unterstützen, oder ob produktunspezifische, allgemeine Hilfsmittel betroffen sind, welche auch ein Handelsvertreter einer anderen Produktgattung benötigte.

Entscheidend für die Frage, ob die Kundenzeitschrift dem Regelungsbereich des § 86a Abs. 1 HGB unterfällt, ist der in allen Beiträgen hervortretende Werbecharakter des Druckwerks. Es kommt nicht darauf an, ob die Kundenzeitschrift als "unerlässliches Verkaufsinstrument" benutzt worden ist.

 

Normenkette

HGB § 86a

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Aktenzeichen 4 O 6/09)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 65 % und die Beklagte zu 35 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

(abgekürzt gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO)

I. Die nach der Berufungsrücknahme der Klägerin noch verbleibende zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Der Klägerin steht gegen die Beklagte wegen unberechtigter Zahlungsabbuchungen für die Kundenzeitschrift "G." ein Anspruch auf Rückzahlung von 2.330,73 EUR gem. § 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 1 BGB zu. Die zu Lasten des Provisionskontos der Klägerin erfolgten Abbuchungen erfolgten insoweit ohne Rechtsgrund. Im Einzelnen:

1. Die vertraglichen Regelungen der Parteien in Art. III, 2. Absatz des Grundvertrages bzw. Art. IV Ziff. 2. der Mitarbeiter-Richtlinien sowie die darauf beruhende Abbuchungspraxis verstoßen gegen die zwingende Regelung in § 86a Abs. 1, Abs. 3 HGB.

Nach § 86a Abs. 1 HGB hat der Unternehmer dem Handelsvertreter "die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen, wie Muster, Zeichnungen, Preislisten, Werbedrucksachen, Geschäftsbedingungen, zur Verfügung zu stellen". Die Bestimmung ist konkrete Ausprägung der allgemeinen Rechtspflicht des Unternehmers, den Handelsvertreter bei seiner Arbeit zu unterstützen. Die Aufzählung der Unterlagen im Gesetz ist nur beispielhaft, nicht abschließend. Der Begriff der Unterlagen ist weit zu fassen. Welche Unterlagen erforderlich sind, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insb. nach der Branchenüblichkeit, dem Gegenstand der Absatzmittlung und dem Tätigkeitsbild des Handelsvertreters (Canaris/Habersack/Schäfer-Emde, HGB, 5. Aufl., § 86a, Rz. 69 f.; Oetker-Busche, HGB, § 86a, Rz. 5; Baumbach/Hopt, HGB, 33. Aufl., § 86a, Rz. 5; Martinek/Semler/Habermeier-Flohr, Handbuch des Vertriebsrechts, 2. Aufl., § 12, Rz. 70; Röhricht/Graf von Westphalen-Thume, HGB, 3. Aufl., § 86a, Rz. 3; v. Hoyningen-Huene in MünchKomm/HGB, § 86a, Rz. 2 ff.). Der Handelsvertreter soll durch die zur Verfügung gestellten Unterlagen in die Lage versetzt werden, die Gegenstände der Absatzmittlung bei den Kunden anzupreisen (Oetker-Busche, a.a.O., Rz. 5; Baumbach/Hopt, a.a.O., Rz. 5; Martinek/Semler/Habermeier-Flohr, a.a.O., Rz. 70). Ausschlaggebend ist, was objektiv aus der Sicht eines normalen Handelsvertreters der jeweiligen Branche für die sachgerechte und erfolgreiche Erledigung der übertragenen Aufgabe, das Produkt mit Erfolg abzusetzen, benötigt wird. Erforderlich kann darüber hinaus sein, was der Handelsvertreter aus seiner Sicht mit guten Gründen für den Erfolg seiner Tätigkeit für notwendig hält. Im Einzelnen gehören dazu neben Musterstücken auch spezielle, die konkrete Vertriebstätigkeit im Einzelfall betreffende Computersoftware und umfassendes Werbematerial (Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Löwisch, HGB, 2. Aufl., § 86a, Rz. 16). Der Unternehmer muss grundsätzlich alle produktspezifischen Hilfsmittel aus seiner Sphäre bereitstellen, auf die der Handelsvertreter objektiv gesehen oder nach seinem pflichtgemäßen Ermessen zur Ausübung seiner Vermittlungs- und ...

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