Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Verlegers für irreführende Anzeigen (Schlankheitswerbung)
Leitsatz (amtlich)
1.) Im Hinblick auf die gewandelte Rechtsprechung des BGH zur Störerhaftung (BGH GRUR 2007, 890 - "jugendgefährdende Medien bei eBay") kommt eine Haftung des Verlegers für irreführende Anzeigen als Störer nicht mehr in Betracht.
2.) Der Verleger haftet aber bei einer Veröffentlichung von Anzeigen, die eindeutige, leicht erkennbare Wettbewerbsverstöße (hier: irreführende Angaben über die Wirkung eines Schlankheitsmittels) enthalten, wegen der Verletzung von wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflichten als Täter.
3.) Die aus diesem Grunde bestehende Kontrollpflicht des Verlegers setzt - anders als es der BGH, a.a.O., für den Betreiber einer Internetplattform angenommen hat - nicht erst mit dessen Kenntnis von dem wettbewerbswidrigen Inhalt einer Anzeige ein, sondern besteht bei jedem Anzeigenauftrag. Die mit der Eliminierung von Anzeigenaufträgen, die eindeutige, leicht erkennbare Wettbewerbsverstöße enthalten, verbundenen Belastungen des Verlegers sind diesem zumutbar.
Das Urteil ist rechtskräftig, nachdem die antragsgemäß zugelassene Revision nicht eingelegt worden ist.
Normenkette
UWG §§ 3, 8 Abs. 1, 3 Nr. 3; LFGB § 11 Abs. 1 Nr. 1, § 11 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 18.02.2010; Aktenzeichen 31 O 552/09) |
Tenor
1.) Die Berufung der Beklagten gegen das am 18.2.2010 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des LG Köln - 31 O 552/09 - wird zurückgewiesen.
2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann jedoch die Vollstreckung des Unterlassungsanspruches durch Sicherheitsleistung i.H.v. 50.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Vollstreckung des Kostenerstattungsanspruches kann die Beklagte durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4.) Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger ist ein überregional tätiger branchenübergreifender Verband, der durch § 1 Nr. 4 der früheren Unterlassungsklagenverordnung als Wettbewerbsverband i.S.d. § 13 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 UKlaG a.F. festgestellt worden ist. Über seine Klagebefugnis und Aktivlegitimation im vorliegenden Verfahren besteht zwischen den Parteien kein Streit. Die Beklagte verlegt die Zeitungsbeilage "Prisma". Der Kläger beanstandet zwei Werbeanzeigen in den Ausgaben Nr. 22/2008 und 37/2009 dieser Beilage als irreführend, die angeblich schlankmachende Mittel zum Gegenstand hatten und wegen deren Ausgestaltung auf die Wiedergabe auf den Seiten 3 und 5 der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen wird. Er hatte die Beklagte bereits früher mehrfach wegen der Veröffentlichung von Werbung für derartige Mittel abgemahnt, worauf diese jeweils, wenn auch ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, strafbewehrte Unterlassungserklärungen abgegeben hatte. Wegen der Einzelheiten wird auf die Darstellung auf S. 6 der angegriffenen Entscheidung verwiesen.
Das LG hat - nachdem es zuvor im Hinblick auf die erste Anzeige antragsgemäß eine entsprechende einstweilige Verfügung erlassen hatte (31 O 352/08 LG Köln = 6 U 174/08 OLG Köln) - die Beklagte zur Unterlassung der Veröffentlichung der beiden Anzeigen in der konkreten Verletzungsform verurteilt. Zu der den Mittelpunkt der Auseinandersetzung bildenden Frage der Passivlegitimation hat die Kammer angenommen, ein Zeitungsverleger hafte auch auf der Grundlage der jüngsten Rechtsprechung des BGH dann als Störer für eine irreführende Werbung, wenn es sich um einen groben und eindeutigen, leicht erkennbaren Verstoß handele, und diese Voraussetzungen für beide Anzeigen bejaht.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der diese weiter die Abweisung der Klage begehrt. Die Beklagte wiederholt ihre Auffassung, wonach schon eine Prüfungspflicht hinsichtlich der Wettbewerbskonformität der Anzeigen nicht bestanden habe, jedenfalls aber die etwaige Wettbewerbswidrigkeit angesichts der Üblichkeit derartiger Anzeigen bei Anwendung der von dem LG zugrunde gelegten Prüfungsmaßstäbe für sie nicht erkennbar gewesen sei. Der Kläger verteidigt das Urteil. Von der Darstellung der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1, 542 Abs. 2 S. 1 ZPO abgesehen.
II. Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Das LG ist von zutreffenden rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen und hat auf deren Grundlage die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Anzeigen zu Recht untersagt.
Die Klage ist aus §§ 3, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 UWG i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 1 und 2 LFGB begründet.
In beiden Anzeigen werden den Mitteln Wirkungen beigemessen, die ihnen nicht zukommen bzw. die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB), zudem enthalten sie zur Täusc...