Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Zulässigkeit eines Teilurteils über einen Schadensersatzanspruch wegen entgangener Provisionen und eines Grundurteils über einen der Höhe nach noch nicht entscheidungsreifen Anspruch auf Handelsvertreterausgleich; Zur Ausgliederung und Übertragung eines Teils oder mehrerer Teile zur Aufnahme durch Übertragung dieses Teils oder dieser Teile jeweils als Gesamtheit auf einen bestehenden oder mehrere bestehende Rechtsträger: Der Ausgleichsanspruch des Handels- bzw. Versicherungsvertreters ist bereits im Vertragsverhältnis angelegt und bergründet damit eine gesamtschuldnerische Haftung des ausgliedernden Rechtsträgers; Zu Fragen der wirksamen ordentlichen Kündigung des Unternehmers und zum Ausschluss des Handelsvertreterausgleichs infolge nachfolgender Eigenkündigung des Handels-/Versicherungsvertreters

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Teilurteil über die Abweisung des Schadensersatzbegehrens bei noch nicht entscheidungsreifem Anspruch auf Handelsvertreterausgleich ist vorliegend zulässig. Eine Gefahr des Widerspruchs zum Schlussurteil besteht hier auch im Hinblick auf die Beurteilung der Wirksamkeit der von den Parteien bzw. der Streitverkündeten (übernehmender Rechtsträger) ausgesprochenen Kündigungen und deren Veranlassung insoweit nicht, als zugleich ein Urteil über den Grund des Ausgleichsanspruchs ergeht.

Die Ausgliederung bewirkt eine Gesamtrechtsnachfolge. Dies ist auch nicht deswegen anders zu beurteilen, weil der Kläger die Übertragung seines Rechtsverhältnisses für unzumutbar hält und weil sie nach seiner Ansicht mit einer Inhaltsänderung im Hinblick darauf verbunden sei, dass die Streitverkündete im Strukturvertrieb andere Produkte vertreibe und der Kläger damit zum Untervermittler würde.

Die Beklagte ist gegenüber dem Ausgleichsanspruch des Klägers passiv legitimiert. Zwar hat sie durch den wirksamen Übernahmevertrag ihre Vertriebsorganisation auf die Streitverkündete ausgegliedert. Allerdings führt dies hier nicht dazu, dass die Beklagte dem Kläger gegenüber nicht auch für Verpflichtungen aus dem Vertrag einzustehen hätte. Denn die Beklagte haftet neben der Streitverkündeten weiterhin für die Verpflichtungen aus dem Agenturvertrag als Gesamtschuldnerin. Dies folgt aus § 133 Abs. 1 UmwG, der eine solche Haftung für diejenigen Verbindlichkeiten des übertragenden Rechtsträgers anordnet, welche vor dem Wirksamwerden der Spaltung - also dem Zeitpunkt der Eintragung im Handelsregister des übertragenden Rechtsträgers - begründet worden sind. Erforderlich für die gesamtschuldnerische Haftung ist lediglich, dass der Rechtsgrund für die Verbindlichkeit vor dem maßgebenden Zeitpunkt gelegt worden sein muss. Der Versicherungsvertretervertrag ist seinem Wesen nach ein Dienstvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Inhalt hat. Dienstverträge wiederum sind klassische Dauerschuldverhältnisse.

Der von dem Kläger geltend gemachte Ausgleichsanspruch ist auch nicht erst nach dem maßgeblichen Zeitpunkt entstanden, weil er eine Kündigung und damit die Beendigung des Vertragsverhältnisses voraussetzt. Denn der Rechtsgrund für diesen Anspruch ist bereits mit der Begründung des Vertragsverhältnisses gelegt worden.

Zur fristgerechten Kündigung des Versicherungsvertretervertrags bei Unterzeichnung des Kündigungsschreibens von lediglich zwei Prokuristen, die keine gemeinsame Vertretungsmacht hatten, bei zugleich überreichtem Anschreiben des vertretungsberechtigten Vorstands der Streitverkündeten, das die Genehmigung des Rechtsgeschäfts enthielt.

Dem Kläger kann die nachfolgend erklärte (Eigen-)Kündigung nicht zum Nachteil gereichen. Denn die Rechtfertigung der gesetzlichen Regelung in § 89b Abs. 3 HGB liegt darin, dass ein Handelsvertreter, der aus freien Stücken das auf unbestimmte Zeit eingegangene Vertragsverhältnis ohne Anlass beenden will, die damit verbundene Folge des Anspruchsverlusts bedacht und in seine Abwägung einbezogen haben muss. Hier lag aber für den Kläger auf der Hand, dass auch die Streitverkündete das Vertragsverhältnis auflösen wollte, und zwar in Kenntnis dessen, dass dies einen Ausgleichsanspruch auslösen würde.

Die Freistellung des gekündigten Handelsvertreters von seinem Dienst ist grundsätzlich unzulässig. Die Freistellung begründet daher regelmäßig ein Recht zur außerordentlichen Kündigung, und zwar ohne vorherige Abmahnung. Dem Kläger war es nicht zuzumuten, am Vertrag festzuhalten. Angesichts des von der Beklagten ausgesprochenen Verbots einer aktiven Tätigkeit des Klägers wäre bei dessen Befolgung von dem Agenturvertrag lediglich eine leere Hülle geblieben.

 

Normenkette

HGB §§ 84, 86a, 89a, 89b, 92; UmwG §§ 123 ff.; BGB §§ 133, 157, 174, 182-183, 61a; ZPO §§ 301, 304

 

Verfahrensgang

LG Aachen (Urteil vom 19.07.2013; Aktenzeichen 9 O 274/12)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 13.08.2015; Aktenzeichen VII ZR 90/14)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 19.7.2013 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des LG Aachen - 9 O 274/12 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Anspr...

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