Entscheidungsstichwort (Thema)

Restitutionsklage nach neuer EuGH-Entscheidung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Restitutionsklagegrund des § 580 Nr. 7b) ZPO setzt voraus, dass die neu aufgefundene oder nutzbare Urkunde bereits zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Erstverfahrens errichtet war oder - was ausnahmsweise hinreichen kann - bei späterer Errichtung Tatsachen bezeugt, die sich zu diesem Zeitpunkt schon ereignet hatten. Die Vorschrift ist daher nicht anwendbar, wenn im Anschluss an das Urteil im Erstverfahren andere Gerichte - wie etwa auch der EUGH - dort behandelte Rechtsfragen anders beantworten.

 

Tenor

Die gegen das Urteil des Senats vom 22.10.1999 - 6 U 53/98 - gerichtete Restitutionsklage der Beklagten wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Restitutionsklägerin darf die gegen sie gerichtete Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Restitutionsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beiden Parteien wird gestattet, die Sicherheitsleistung auch durch schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts zu erbringen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Restitutionsklägerin (künftig nur noch "Beklagte" genannt) betrieb aufgrund einer ihr von der Salzburger Landesregierung erteilten Bewilligung gewerbsmäßig Sportwetten, insb. Fußballwetten. Sie unterhält in Deutschland keine Niederlassung und ist hier auch nicht durch Wettbüros, Annahmestellen oder vergleichbare Einrichtungen vertreten. Die Restitutionsbeklagte (künftig nur noch als "Klägerin" bezeichnet) ist Gesellschafterin des Deutschen Lotto- und Totoblocks. Sie befasst sich im Land Nordrhein-Westfalen mit behördlicher Erlaubnis mit der Organisation und Durchführung von Gewinnspielen und dabei u.a. mit dem Fußballtoto. Auf ihren Antrag hat der Senat der Beklagten durch Urteil (OLG Köln, Urt. v. 22.10.1999 - 6 U 53/98, GRUR 2000, 538 ff.) verkürzt und sinngemäß wiedergegeben untersagt, im Bereich des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen Sportwetten ohne Genehmigung nach dem Sportwettengesetz Nordrhein-Westfalen anzubieten und/oder zu bewerben. In dieser Entscheidung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt, dass und aus welchen Gründen die Beklagte ihre als Glücksspiel i.S.v. § 284 StGB zu qualifizierenden Gewinnspiele auch in der Bundesrepublik Deutschland veranstaltet, dass sie damit gegen § 284 StGB und auch § 1 UWG verstößt, solange sie nicht im Besitz einer behördlichen Erlaubnis durch die zuständigen deutschen Stellen ist, und dass die Bestimmungen des EG-Vertrages über den freien Dienstleistungsverkehr einer nationalen, am Allgemeininteresse orientierten und diese zugleich rechtfertigenden Regelung über die Veranstaltung für Glücksspiele nicht entgegensteht. Die gegen diese Entscheidung des Senats eingelegte Revision hatte keinen Erfolg (BGH, Urt. v. 14.3.2002 - I ZR 279/99, BGHReport 2002, 505 = MDR 2002, 1082 = GRUR 2002, 636 f. = WRP 2002, 688 ff. = NJW 2002, 2175 f. - "Sportwetten").

Mit ihrer Anfang Dezember 2003 erhobenen Restitutionsklage macht die Beklagte geltend, mit seinem Urteil vom 6.11.2003 - Rs. C-243/01 "H." habe der Europäische Gerichtshof eine Entscheidung getroffen, deren Anwendung im Streitfall zur Klageabweisung zwinge. Bei diesem Urteil des Europäischen Gerichtshofes handele es sich, so meint die Beklagte, um eine Urkunde i.S.v. § 580 Nr. 7b ZPO, dessen Voraussetzungen auch im Übrigen vorlägen.

Die Beklagte beantragt deshalb sinngemäß, die Entscheidung des OLG Köln v. 22.10.1999 - 6 U 53/98 - zu ändern und die von der Klägerin erhobene Unterlassungsklage abzuweisen.

Die Klägerin hält das Restitutionsverfahren für unstatthaft und beantragt, die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

II. Die frist- und formgerecht erhobene Klage ist bereits unstatthaft, weil die Beklagte einen Restitutionsgrund i.S.d. § 580 ZPO nicht schlüssig vorgetragen hat; sie war deshalb von dem gem. § 584 Abs. 1 2. Halbsatz ZPO zur Entscheidung berufenen Senat als unzulässig zu verwerfen, § 589 Abs. 1 S. 2 ZPO.

Der im Streitfall einzig in Betracht kommende Restitutionsgrund des § 580 Nr. 7b ZPO setzt voraus, dass eine Partei eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Im Streitfall kann offen bleiben, ob - im weitesten Sinne - Urteile eines Zivilgerichts einschließlich derjenigen des Europäischen Gerichtshofes überhaupt unter diese Vorschrift fallen können. Das ist zweifelhaft, weil § 580 Nr. 7a ZPO auf ein in der selben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil abstellt und deshalb möglicherweise eine abschließende Sonderregelu...

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