Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsausgleichsverfahren: Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens; Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Aussetzung des Verfahrens ist nach § 21 FamFG nur aus wichtigem Grund zulässig. Ein wichtiger Grund kann begrifflich nur dann vorliegen, wenn eine anderweitige Erledigung nicht möglich ist.
2. Die Möglichkeit einer anderweitigen Erledigung kann sich im Versorgungsausgleichsverfahren aus § 19 VersAusglG ergeben (hier: Vorbehalt des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs bei nicht ausgleichsreifem Anrecht).
Normenkette
FamFG § 21; VersAusglG § 19
Verfahrensgang
AG Rosenheim (Beschluss vom 22.06.2010; Aktenzeichen 3 F 72/10) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen Ziff. 2 des Endbeschluss des AG Rosenheim vom 22.6.2010 wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten der Beschwerde.
3. Der Verfahrenswert wird auf 1.000 EUR festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I Das AG Rosenheim hat die am 4.7.1975 geschlossene Ehe der Parteien auf den am 26.1.2010 zugestellten Scheidungsantrag mit Endbeschluss vom 22.6.2010 geschieden. Der Scheidungsantrag war am 16.1.2010 bei Gericht eingegangen.
Unter Ziff. 2 des Endbeschlusses hat das AG den Versorgungsausgleich geregelt, indem es im Wege der internen Teilung Anrechte bei der Deutschen Rentenversicherung Bund i.H.v. 17,0579 Entgeltpunkten zu Lasten der Antragstellerin, Anrechte des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung ... i.H.v. 20,8885 Entgeltpunkten zugunsten der Antragstellerin und weitere Anrechte des Antragsgegners bei der A. Lebensversicherung i.H.v. 28.276,40 EUR zugunsten der Antragstellerin übertrug. Wegen eines Anrechts der Antragstellerin bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder hat das AG den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten.
Die Antragstellerin gehört zu den sog. rentenfernen Jahrgängen.
Unter Verweis auf die Entscheidung des BGH vom 5.11.2008 ist der Antragsgegner der Auffassung, dass das Verfahren über den Versorgungsausgleich insgesamt auszusetzen sei.
Mit seiner Beschwerde beantragt er, die Entscheidung dahingehend abzuändern, dass der Versorgungsausgleich ausgesetzt wird.
Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen.
II Die Beschwerde gegen den Endbeschluss des AG Rosenheim ist zulässig, § 58 Abs. 1 FamFG. Auf einen Beschwerdewert (§ 61 Abs. 1 FamFG) kommt es wegen § 228 FamFG nicht an. Die Beschwerde ging fristgemäß beim zuständigen AG Rosenheim ein, § 63 Abs. 1, § 64 FamFG.
Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
Zu Recht hat das AG Rosenheim den Versorgungsausgleich - soweit die Rentenanwartschaft der Antragstellerin bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder betroffen ist - dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten.
Das ursprünglich bestehende Leistungssystem der Zusatzversorgung wurde sowohl aus finanziellen wie auch aus rechtlichen Gründen Ende 2000 aufgegeben und mit Wirkung ab 2002 durch ein reines kapitalgedecktes Betriebsrentensystem abgelöst. Für die am 31.12.2001 festgestellten Versorgungsrenten wurden den Versicherten sog. "Startgutschriften" gutgeschrieben. Diese Regelung wurde durch den BGH mit dem Gleichheitssatz für unvereinbar erklärt, die notwendige Änderung der Satzung der VBL steht noch aus.
Da hier keine allgemeinen, die Dynamik eines Anrechts betreffenden Bewertungsvorschriften in Frage stehen, sondern die das Rechtsverhältnis zwischen dem einzelnen Versicherungsnehmer und dem Versorgungsträger regelnden Satzungsbestimmungen hinsichtlich der Frage, ob und in welcher Höhe eine in der Ehezeit begründete bzw. aufrechterhaltene Anwartschaft oder Aussicht auf eine Versorgung überhaupt dem Versorgungsausgleich unterliegt, waren diese Verfahren bei rentenfernen Versicherten gem. § 148 ZPO auszusetzen, BGH FamRZ 2009, 303.
Eine Aussetzung des Verfahrens ist nach dem nunmehr anwendbaren § 21 FamFG nur aus wichtigem Grund zulässig. Ein wichtiger Grund kann begrifflich nur dann vorliegen, wenn eine anderweitige Erledigung nicht möglich ist. Diese Möglichkeit ist nunmehr mit dem neuen § 19 VersAusglG geschaffen worden, der zum 1.9.2009 in Kraft trat und vom BGH im oben zitierten Verfahren noch nicht angewendet werden konnte.
Nach § 19 Abs. 1 VersAusglG findet ein Wertausgleich hinsichtlich eines Anrechts, das nicht ausgleichsreif ist, nicht statt. Nach Abs. 2 Ziff. 1 ist ein Anrecht nicht ausgleichsreif, wenn es dem Grunde oder der Höhe nach nicht hinreichend verfestigt ist.
Nach dem GesEntw des VAStrRefG (BT-Drucks. 16/10144, 62/63) ist der Begriff der fehlenden Ausgleichsreife umfassender als der bereits bekannte Begriff der Verfallbarkeit und gilt auch für Anrechte, deren Ausgleich schon wegen fehlender Aufklärbarkeit nicht möglich wäre (so auch Holzwarth in Johannsen/Henrich, Familienrecht, 5. Aufl. 2010, Rz. 7 unter Bezugnahme auf BT-Drucks. 16/11903, 108 (Besch...