Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz und Rückabwicklung einer Beteiligung an mehrgliedriger atypisch stillen Gesellschaft; Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer mehrgliedrig atypisch stillen Gesellschaft sind die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft anzuwenden mit der Folge, dass ein Gesellschafter bei Auflösung des Gesellschaftsverhältnisses "ex nunc" nur einen Anspruch auf ein Abfindungsguthaben, nicht aber auf Schadensersatz im Wege der Rückabwicklung seiner Beteiligung hat. Eine auf Rückgewähr der Einlage gerichtete Schadensersatzklage und Rückabwicklung der Beteiligung wegen mangelhafter Aufklärung über die Risiken und Chancen des Anlageprojekts gegen die Beteiligungsgesellschaft gerichtete Klage bleibt ohne Erfolg.
2. Zu den Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung der Beteiligungsverträge nach § 314 BGB und der vorzunehmenden Interessenabwägung.
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 23.04.2012; Aktenzeichen 35 O 15133/11) |
Tenor
I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG München I vom 23.4.2012 - 35 O 15133/11, durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
II. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis 14.9.2012.
Gründe
Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Weder weist der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung auf noch erscheint eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.
Die Würdigung durch das LG ist frei von Rechtsfehlern (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO). Unter zutreffender Würdigung des Parteivortrags, der Gesamtumstände sowie der vorgelegten Unterlagen hat das Gericht in 1. Instanz zu Recht die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.
Zu den Berufungsangriffen des Klägers ist im Einzelnen wie folgt Stellung zu nehmen:
Der Kläger kann gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche auf Rückabwicklung seiner atypisch stillen Gesellschaftsbeteiligung nicht mit Erfolg geltend machen. Der Senat teilt die Auffassung des Erstgerichts, wonach im vorliegenden Fall einer mehrgliedrigen atypischen stillen Gesellschaft die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft Anwendung finden mit der Folge, dass der Kläger gegen die Beklagte bei Auflösung des Gesellschaftsverhältnisses "ex nunc" nur einen Anspruch auf ein Abfindungsguthaben, nicht aber auf Schadensersatz im Wege der Rückabwicklung der Beteiligung am Handelsgewerbe der L. T. AG haben kann. Nach dem auf Seite 62 ff. des Emissionsprospekts abgedruckten "Atypisch stillen Gesellschaftsvertrag" beteiligen sich die Anleger am Handelsgewerbe der L. T. AG als atypisch stille Gesellschafter ... mit den jeweils vereinbarten Einlagen. "Atypisch bedeutet, dass die Gesellschafter an Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven der Vermögenssubstanz beteiligt sind und die einem Kommanditisten vergleichbaren Mitwirkungsrechte haben. Die Gesellschafter bilden zusammen mit dem Geschäftsinhaber (d.h. der L. T. AG) eine sog. atypisch stille Gesellschaft. Das heißt, es besteht nur eine atypisch stille Gesellschaft zwischen dem Geschäftsinhaber und allen atypisch stillen Gesellschaftern ..." (vgl. Emissionsprospekt Anlage B 2 S. 62, atypisch stiller Gesellschaftsvertrag § 1 Nr. 2).
Zu Recht und auch mit der Berufung nicht angegriffen hat das LG festgestellt, dass es sich vorliegend aufgrund der vertraglichen und gesellschaftlichen Konstruktion um eine mehrgliedrige atypisch stille Gesellschaft handelt. In nicht zu beanstandender Weise und mit zutreffender Argumentation hat das LG unter Heranziehung höchstrichterlicher Rechtsprechung die Grundsätze der fehlerhaften, in Vollzug gesetzten Gesellschaft dargestellt. Wie das LG richtig ausführte, lässt die Rechtsprechung Ausnahmen zu, wenn gewichtige Interessen der Allgemeinheit oder einzelner schutzwürdiger Personen der rechtlichen Anerkennung einer fehlerhaften Gesellschaft entgegen stehen. Danach kommen die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft ausnahmsweise dann nicht zu Anwendung, wenn die rechtliche Anerkennung des von den Parteien gewollten und tatsächlich vorhandenen Zustands aus gewichtigen Belangen der Allgemeinheit oder bestimmter besonders schutzwürdiger Personen unvertretbar ist (vgl. BGH, Urt. v. 29.11.2004, Az: II ZR 6/03und Urteil vom 21.3.2005, Az: II ZR 140/03). Dies ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung insbesondere der Fall, wenn der Vertrag gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, der Zweck der Gesellschaft mit den guten Sitten unvereinbar ist oder eine besonders grobe Sittenwidrigkeit vorliegt. Außerdem stehen die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft einem Anspruch auf Rückgewähr der Einlage dann nicht entgegen, wenn der Vertragspartner des stillen Gesellschafters - der Inhaber des Handelsgeschäfts i.S.d. § 230 HGB - verpflichtet ist, den stillen Gesel...