Leitsatz (amtlich)

Im Fall der Streitgenossenschaft zwingt der Anwendungsvorrang der EuGVVO im innerstaatlichen Bestimmungsverfahren nicht dazu, ohne Auswahlermessen nur dasjenige Gericht zu bestimmen, das nach Art. 16 Abs. 1 EuGVVO zuständig wäre (Vorlage an den BGH wegen Abweichung von OLG Frankfurt vom 30.7.2012 - 11 AR 132/12, bei juris).

 

Normenkette

EuGVVO Art. 15 Abs. 1, Art. 16 Abs. 1; ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3

 

Tenor

Die Sache wird dem BGH vorgelegt.

 

Gründe

I. Die im Bezirk des LG Stuttgart wohnhafte Antragstellerin beabsichtigt, gegen die drei Antragsgegnerinnen im Wesentlichen Schadensersatzansprüche aus einer gescheiterten Kapitalanlage geltend zu machen. Sie beteiligte sich ihrem Vortrag zufolge am 11.11.2002 mit einer Einlage von 40.000 EUR an dem in München aufgelegten geschlossenen Medienfonds M. P. GmbH & Co. KG. Die Antragsgegnerin zu 1 ist nach dem Vorbringen der Antragstellerin Initiatorin und Prospektherausgeberin des Fonds, die Antragsgegnerin zu 2 die Treuhänderin. Mit der Antragsgegnerin zu 3 habe die Antragstellerin den obligatorischen Finanzierungsvertrag geschlossen. Die Antragsgegnerinnen sollen daher wegen Prospekthaftung im weiteren Sinne in Anspruch genommen werden. Darüber hinaus widerrufe die Antragstellerin auch die auf den Abschluss des hier gegenständlichen Finanzierungsvertrags gerichteten Willenserklärungen.

Die Antragsgegnerinnen zu 1 und 2 haben ihren allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk des LG München I, die Antragsgegnerin zu 3, ein Bankhaus, ist in Irland ansässig.

Unter dem 8.11.2012 hat die Antragstellerin Antrag auf Bestimmung eines zuständigen Gerichts - ohne ein bestimmtes zu bezeichnen - gestellt. Die Antragsgegnerinnen hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Antragsgegnerinnen zu 1 und 2 regen an, das LG München I zu bestimmen. Die Antragsgegnerin zu 3 meint, für eine Klage gegen sie ergebe sich die Zuständigkeit dieses LG ohnehin aus Art. 6 Nr. 1 EuGVVO, weshalb der Bestimmungsantrag zurückzuweisen sei.

Der Senat hat mit Verfügung vom 8.1.2013 die Parteien auf die beabsichtigte Vorlage nach § 36 Abs. 3 ZPO hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Die Antragsgegnerin zu 3 hält den Vorrang der EuGVVO für maßgeblich; der Senat habe im Rahmen des nationalen Bestimmungsverfahrens keine Wahlmöglichkeit.

II. Die Sache wird dem BGH vorgelegt, der über den Bestimmungsantrag zu entscheiden hat (§ 36 Abs. 3 ZPO).

1. Der Senat würde auf den zulässigen Antrag nach § 36 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, § 37 ZPO das LG München I als gemeinsam zuständig bestimmen.

a) Die Antragsgegnerinnen zu 1 und 2 einerseits sowie zu 3 andererseits haben unterschiedliche allgemeine Gerichtsstände (§ 17 Abs. 1 ZPO). Sie sollen als Streitgenossen (§§ 59, 60 ZPO) verklagt werden. Die vertraglichen bzw. vertragsähnlichen Rechtsbeziehungen der Antragstellerin mit den Antragsgegnerinnen bei der gegenständlichen Vermögensanlage begründen eine Streitgenossenschaft jedenfalls i.S.d. § 60 ZPO. Die Merkmale von Gleichartigkeit der Ansprüche oder Verpflichtungen bzw. von Gleichartigkeit im Wesentlichen, was den tatsächlichen und rechtlichen Grund angeht, sind im Sinne der Prozessökonomie nämlich extensiv auszulegen (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 33. Aufl., §§ 59, 60 Rz. 1). Der Zusammenhang zwischen den geltend gemachten, auf den Ersatz von Schäden aus einer bestimmten Vermögensanlage abzielenden Ansprüchen wird nicht dadurch aufgehoben, dass die Antragsgegnerinnen aus unterschiedlichen Vertragsbeziehungen in Anspruch genommen werden, zwischen denen ihrerseits kein unmittelbarer Zusammenhang besteht (vgl. BGH NJW-RR 2011, 1137).

b) Ein gemeinsamer besonderer oder ausschließlicher Gerichtsstand ist nicht gegeben, da für die Antragsgegnerin zu 3 beim LG München I kein Gerichtsstand besteht. Für sie besteht vielmehr gem. Art. 15 Abs. 1 Buchst. b, Art. 16 Abs. 1 EuGVVO ein Gerichtsstand am Wohnsitz der Antragstellerin (Art. 59 Abs. 1 EuGVVO, § 7 Abs. 1 BGB) beim LG Stuttgart.

(1) Es handelt sich um ein Verbrauchergeschäft i.S.v. Art. 15, 16 EuGVVO. Dabei ist der Begriff "Verbrauchersachen" von den nationalen Rechtsordnungen losgelöst gemeinschaftsrechtlich einheitlich zu definieren (vgl. Zöller/Geimer ZPO, 29. Aufl. Art. 17 EuGVVO Rz. 10). Trotzdem kann aber die Frage, ob die Geldanlage und damit auch das durch die Antragsgegnerin zu 3 gewährte Darlehen dem privaten oder dem gewerblichen Bereich zuzurechnen ist, nur anhand des am Anlageort geltenden Rechts geprüft werden. Grundsätzlich ist auch die Durchführung von Wertpapier- und ähnlichen Geschäften unter Art. 15 Abs. 1 Buchst. c EuGVVO subsumierbar (vgl. Zöller/Geimer Art. 17 EuGVVO Rz. 14; Musielak/Stadler ZPO, 9. Aufl. Art. 15 Rz. 6). Das muss auch für die Gewährung eines Kredits zu diesem Zweck gelten. Gegenstand der Anlage selbst ist allerdings die Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft. Die Verbrauchereigenschaft einer Person lässt sich nach deren konkreten Vortrag feststellen (vgl. Musielak/Stadler Art. 15 EuGVVO Rz. 1). Unabhängig davon, ob der Komma...

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