Entscheidungsstichwort (Thema)
Untätigkeitsbeschwerde bei Umgangsrechtsverfahren, da über vier Jahre dauert
Leitsatz (redaktionell)
Eine Verfahrensdauer von über vier Jahren ist für eine familienrechtliche Angelegenheit, insbesondere für ein Umgangsrechtsverfahren, unangemessen lang. Dies kann mit einer Untätigkeitsbeschwerde geltend gemacht werden.
Normenkette
BGB § 1684
Verfahrensgang
AG Memmingen (Aktenzeichen 3 F 1032/04) |
Tenor
In der Familiensache ... auf die Untätigkeitsbeschwerde des Antragstellers hin wird das AG Memmingen angewiesen, das Umgangsverfahren beschleunigt fortzuführen und zum Abschluss zu bringen.
Gründe
I. Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 16.11.2004, eingegangen beim AG Memmingen am 17.11.2004, einen Antrag auf Gewährung von Umgang mit der Tochter M gestellt. Über diesen Antrag wurde bislang nicht abschließend entschieden.
Mit Schriftsatz vom 1.10.2008 beantragte der Antragsteller, der Antragsgegnerin partiell das Sorgerecht für das gemeinsame Kind der Parteien, M zu entziehen und eine Ergänzungspflegschaft mit dem Wirkungskreis "Recht auf die Beantragung von Hilfe nach dem SGB VIII" sowie "Gestaltung des Umgangs mit dem Vater" zu errichten. Hilfsweise beantragte der Antragsteller, einen Verfahrenspfleger für das vorliegende Verfahren zu bestellen.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Antrag vom 1.10.2008, sowie auf den Schriftsatz vom 5.2.2009, mit dem der Antragsteller Untätigkeitsbeschwerde eingelegt und beantragt hat, das AG Memmingen anzuweisen, das Umgangsverfahren mit Beschleunigung fortzuführen, verwiesen.
Das AG - Familiengericht - Memmingen hat mit Beschl. v. 5.2.2009 der Untätigkeitsbeschwerde der Antragstellervertreterin nicht abgeholfen.
II.1. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Untätigkeitsbeschwerde sind erfüllt. Die gesetzlich nicht geregelte Untätigkeitsbeschwerde ist von der Rechtsprechung als außerordentlicher Rechtsbehelf geschaffen worden. Sie setzt nicht voraus, dass es bereits tatsächlich zu einem sachlich nicht mehr zu rechtfertigenden Verfahrensstillstand gekommen ist. Für die Zulässigkeit reicht es vielmehr aus, wenn eine über das Normalmaß hinausgehende unzumutbare Verzögerung des Verfahrens schlüssig dargetan wird, die auf einen Rechtsverlust oder eine Rechtsverweigerung hinausläuft (Zöller/Heßler, ZPO, 27. Aufl., § 567 Rz. 21). Das ist hier der Fall. Der Antragsteller betreibt das Umgangsverfahren seit Ende 2004, ohne dass das AG bisher über das Umgangsrecht des Vaters mit seiner Tochter in der Sache endgültig entschieden hätte. Die Untätigkeitsbeschwerde ist daher eröffnet.
2. Die Beschwerde erweist sich insoweit als sachlich begründet, als das AG über die begehrte Regelung des Umgangsrechts und über den Antrag auf Errichtung einer Umgangspflegschaft (= Teilentzug der elterlichen Sorge) sowie über den Antrag auf Bestellung eines Verfahrenspflegers bis heute keine inhaltliche Entscheidung getroffen hat. Die lange Verfahrendauer in I. Instanz verletzt den Anspruch des Antragstellers auf Entscheidung über das Umgangsrecht in angemessener Zeit.
Hierbei verkennt der Senat nicht, dass das AG ein Sachverständigengutachten erholt, mündliche Anhörungen durchgeführt hat und auch durch Sachstandsanfragen seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, das Verfahren zu fördern und zu einer Sachentscheidung zu gelangen. Zwar mag auch die Anregung, eine Therapie mit dem Kind durchzuführen, sinnvoll gewesen sein. Letztendlich hat das AG jedoch das Verfahren über die Frage des Umgangsrechts und ob die Errichtung einer Umgangspflegschaft in Betracht kommt, sowie die Frage der Bestellung eines Verfahrenspflegers nicht genügend forciert. Es hat das Verfahren auch nicht in der Weise betrieben, die einen Abschluss des Umgangsverfahrens in I. Instanz in angemessener Zeit ermöglichte. Zwar verkennt der Senat nicht, dass es als sinnvoll anzusehen ist, Strafakten bzw. darin ergangene Entscheidungen gegen den Antragsteller beizuziehen. Die Dauer des vorliegenden Verfahrens von derzeit über 4 Jahren ist für eine familienrechtliche Angelegenheit, speziell für ein Umgangsrechtsverfahren, auch unter den gegebenen Umständen unangemessen lang.
Zwar hat eine Abwägung im Einzelfall zu erfolgen, ob eine Verfahrensdauer als übermäßig lang einzustufen ist. In diesem Zusammenhang kann jedoch nicht außer Betracht bleiben, dass das Umgangsrecht eine vom Grundgesetz besonders geschützte elterliche Rechtsposition darstellt und das BVerfG wiederholt darauf hingewiesen hat, dass bei Umgangsverfahren zu beachten ist, dass jede Verfahrensverzögerung wegen der durch den Zeitverlust eintretenden und sich vertiefenden Entfremdung häufig schon rein faktisch zu einer (Vor-)Entscheidung führt, noch bevor eine richterliche Entscheidung vorliegt. Auch wenn die familiären Verhältnisse - auch im Hinblick auf die erhobenen Vorwürfe der Mutter gegen den Vater - als besonders schwierig einzustufen sind, ist eine Verfahrensdauer von über 4 Jahren nach Auffassung des Senats unangemessen lang. Zwar obliegt es allein dem...