Leitsatz (amtlich)
Gegen die Entscheidung des LG, den Musterfeststellungsantrag gem. § 4 Abs. 4 KapMuG zurückzuweisen, weil innerhalb von vier Monaten nach Bekanntmachung des zeitlich ersten Musterfeststellungsantrags nicht die erforderliche Anzahl gleichgerichteter Anträge beim Prozessgericht gestellt worden ist, ist die sofortige Beschwerde statthaft.
Bei der Frage, ob das gem. § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 4 KapMuG erforderliche Quorum erreicht ist, ist nicht darauf abzustellen, ob in den Verfahren, in denen Musterfeststellungsanträge gestellt wurden, mindestens 10 Kläger auftreten, sondern vielmehr entscheidend, ob in mindestens 10 Verfahren Musterfeststellungsanträge gestellt worden sind.
Verfahrensgang
LG Augsburg (Beschluss vom 16.10.2006; Aktenzeichen 1 O 4341/04) |
OLG Augsburg (Aktenzeichen 27 W 313/06) |
Nachgehend
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des LG Augsburg vom 16.10.2006 wird zurückgewiesen.
II. Die Beschwerdeführer tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
IV. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Mit ihrer Klage vom 24.9.2004 verlangen die Kläger zu 1) bis 14) in einfacher Streitgenossenschaft Schadensersatz wegen des Erwerbs von Aktien der Infomatec AG aufgrund behaupteter unrichtiger Ad-hoc-Mitteilungen.
Der Klägervertreter stellte mit Schriftsatz vom 20.1.2006 beim LG Augsburg für die Kläger zu 2), zu 3), zu 7), zu 8) bis zu 10), zu 12) bis 14) einen Musterfeststellungsantrag mit verschiedenen Feststellungszielen. Hinsichtlich des Inhalts des Antrags wird auf Bl. 379/449 d.A. verwiesen.
Am 6.4.2006 hat das LG Augsburg beschlossen, den Musterfeststellungsantrag im Klageregister öffentlich bekannt zu machen. Der Musterfeststellungsantrag wurde am 18.5.2006 im Klageregister veröffentlicht.
Mit Beschluss vom 16.10.2006, der dem Klägervertreter am 19.10.2006 zugestellt worden ist, hat das LG Augsburg den Antrag auf Herbeiführung einer Entscheidung über den Musterfeststellungsantrag zurückgewiesen.
Zur Begründung führt das LG aus, dass die Voraussetzungen für eine Vorlage gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 2 KapMuG nicht vorlägen, da innerhalb von vier Monaten nach Bekanntmachung des ersten Antrags lediglich in vier weiteren Verfahren gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge gestellt worden seien. Unerheblich sei, dass in den fünf im Klageregister eingetragenen Verfahren mehr als 10 Kläger aufträten. Für den Begriff der "weiteren Verfahren" sei schon nach dem allgemeinen Wortsinn auf gesondert erfasste Vorgänge mit eigenem Aktenzeichen abzustellen.
Für diese Auslegung spreche auch der Sinn und Zweck des Gesetzes:
In Fällen, in denen eine Vielzahl erstinstanzlicher Gerichte mit gleichartigen Kapitalanlagenhaftungsfällen befasst sei, sollten zur Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen und aus Gründen der Prozessökonomie bestimmte Streitpunkte obergerichtlich mit Bindungswirkung vorab entschieden werden. Dies setze voraus, dass sich die fraglichen Streitpunkte tatsächlich in einer ganzen Reihe weiterer Verfahren stellten, ohne eine Vorabentscheidung durch das OLG also tatsächlich die selben Sachfragen in zahlreichen Beweisaufnahmen gesondert geklärt werden müssten und inhaltlich widersprüchliche Entscheidungen drohten. Falls auf die Gesamtzahl der in den eingetragenen Verfahren auftretenden Kläger abzustellen wäre, hätte dies zur Folge, dass das OLG auch dann entscheiden müsste, wenn nur in einem Verfahren 10 Kläger oder mehr beteiligt seien. In solch einer Konstellation sei die Herbeiführung einer Entscheidung über den Musterfeststellungsantrag jedoch sinnwidrig, weil widersprüchliche Entscheidungen nicht drohten und auch es gerade nicht prozessökonomisch sei, während des laufenden Verfahrens erster Instanz die Klärung einzelner Fragen vorab auf das Rechtsmittelgericht zu verlagern.
Gegen diesen Beschluss haben die Klägerinnen zu 3), zu 9), zu 12) und zu 13) mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 2.11.2006, der am selben Tag bei Gericht eingegangen ist, sofortige Beschwerde eingelegt. Die Klägerinnen machen geltend, dass der Begriff "Verfahren" in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KapMuG nicht streng formal und wortlautorientiert zu verstehen sei; vielmehr sei der Sinn des KapMuG zur Beschleunigung von Verfahren und Schaffung einer effektiven Rechtschutzmöglichkeit einzubeziehen. Es müsse daher ausreichen, wenn die weiteren neun Anträge innerhalb eines streitgenössischen Verfahrens gestellt würden. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass im Falle einer Verfahrenstrennung unstreitig 10 Anträge vorliegen würden. Im Gesetz finde sich keinerlei Hinweis darauf, dass es sich bei einer streitgenössischen Antragstellung nur um einen Antrag handele. Dem Gesetzgeber sei ersichtlich daran gelegen gewesen, das Zustandekommen von 10 gleichgerichteten Anträgen so einfach wie möglich zu gestalten. Eine rein formale Auslegung entspreche er...