Normenkette
BGB § § 1572, 1578 Abs. 1 S. 2 2. Hs. a.F., § Abs. 2, § Abs. 3
Verfahrensgang
AG München (Aktenzeichen 518 F 1117/02) |
Tenor
1. Den Parteien wird aufgegeben, zum Termin eine Abschrift des Scheidungsurteils mitzubringen.
2. Den Parteien wird vorgeschlagen, sich bei Kostenaufhebung dahingehend gütlich zu einigen, dass es bis 1.4.2006 beim vom FamG titulierten Unterhalt verbleibt und der Unterhalt dann auf den angemessenen Bedarf von 775 Euro (350 Elementar-, 349 Krankenvorsorge-, 76 Altvorsorgeunterhalt) herabgesetzt wird.
Gründe
I. Die am 12.12.1978 geborene Klägerin studierte bis 1983 Sozialpädagogik und hatte in der Folgezeit mehrere Aushilfstätigkeiten und befristete Arbeitsverhältnisse als Erzieherin mit einem Einkommen von ca. 1.500 DM.
Am 28.12.1988 heiratete sie den Beklagten. Nach einem Fernlehrgang war sie kurzfristig in der Ehe bis zu ihrer Erkrankung als Werbetexterin tätig.
Am 26.4.1991 wurde das gemeinsame Kind K. geboren. Im Frühjahr 1993 wurde bei der Klägerin paranoide Schizophrenie festgestellt. Sie war zunächst in den Folgejahren in verschiedenen ambulanten Behandlungen, mangels Krankheits- und Behandlungseinsicht erfolgte keine Therapie. 1997 trennten sich die Eheleute, am 10.6.1998 wurde das Scheidungsverfahren rechtshängig, seit 2.11.1999 sind die Parteien rechtskräftig geschieden.
Der Beklagte erhielt die elterliche Sorge über den gemeinsamen Sohn, der sich seit der Trennung bei ihm aufhielt. Der Beklagte hatte in der Ehe wegen der Erkrankung der Klägerin seine Arbeitszeit zunächst auf 90 % und später auf 70 % herabgesetzt. Nach einer stationären Unterbringung mit medikamentöser Behandlung kann die Klägerin seit 1.4.2002 auf Geringverdienerbasis zweimal nachmittags in einem Kindergarten als Erzieherin arbeiten. Die Parteien hatten in der Ehe ein Haus gekauft, für das monatliche Abzahlung von 3.261 DM zu erbringen waren. Das Haus wurde 2000 verkauft, aus dem Erlös erhielt jeder Ehegatte ca. 200.000 DM. Die Klägerin hat sich hiervon eine Eigentumswohnung mit einem Wohnwert von ca. 400 Euro gekauft.
Das FamG hat den Beklagten zur Zahlung eines Unterhaltsrückstandes von Mai 2001 bis Juli 2002 von 21.197 Euro sowie eines laufenden Unterhalts ab August 2002 von monatlich 1.339,80 Euro verurteilt (990,80 Elementar- und Altersvorsorge, 349 Euro Krankenvorsorge), wobei die Unterhaltsberechnung anhand eines Rechenprogramms über 6 Seiten nicht nachvollziehbar ist. Eine Begrenzung des Unterhalts auf den angemessenen Bedarf lehnte das FamG ab. Hiergegen hat der Beklagte Berufung eingelegt mit dem Ziel, im Hinblick auf eine Begrenzung auf den angemessenen Bedarf bis März 2002 nur 1.000 Euro und ab April 2002 nur 500 Euro monatlich zahlen zu müssen.
II. Nach Auffassung des Senats ist die Berufung des Beklagten begründet, soweit vom FamG die Begrenzung des Unterhalts auf den angemessenen Bedarf nach § 1578 Abs. 1 S. 2 BGB abgelehnt wurde.
Der Klägerin steht aufgrund ihrer Erkrankung unstreitig ein Anspruch nach § 1572 BGB zu. Aus diesen Gründen kam keine zeitliche Begrenzung nach § 1573 Abs. 5 BGB, sondern nur eine Begrenzung auf den angemessenen Bedarf nach § 1578 Abs. 1 S. 2 BGB in Betracht. Aus den vom FamG angeführten Gründen ist der Anspruch nicht nach § 1579 Nr. 2, 3, 7 BGB verwirkt, auch nicht teilweise.
Für die Unterhaltsberechnung ab Mai 2001 ist von einem im Berufungsverfahren unstreitigen Nettoerwerbseinkommen des Beklagten von 4.220 Euro auszugehen, das um 5 % berufsbedingte Aufwendungen (= 211), den Tabellenkindesunterhalt von 456 Euro (DT Gruppe 13 St. 2), einem von der Klägerin zugestandenem Betreuungsbonus von 418 Euro und der Krankenversicherung der Klägerin von 279 Euro zu bereinigen ist, sodass 2.856 Euro verbleiben.
Im Hinblick auf die geänderte Rechtsprechung des BGH sind die Zinsen aus dem Erlös des Hausverkaufs, bzw. bei der Klägerin der neue Wohnwert als Surrogat des früheren Wohnwerts eheprägend (BGH v. 13.6.2001 – XII ZR 343/99, MDR 2001, 991 = BGHReport 2001, 549 = FamRZ 2001, 986; 1140), auch wenn sie den früheren Wohnwert übersteigen (BGH v. 31.10.2001 – XII ZR 292/99, MDR 2002, 153 = BGHReport 2002, 60 = FamRZ 2002, 88). Insoweit spielt es keine Rolle, ob der Wohnwert in der Ehe wegen hoher Abzahlungen Null oder möglicherweise sogar negativ war. Der neue Wohnwert der Klägerin steht dem gleichhohen Zinserlös des Beklagten ggü. (OLG Koblenz v. 19.3.2002 – 11 UF 671/00, FamRZ 2002, 1407) und ist i.E. damit wertneutral (FA-FamR/Gerhardt, 4. Aufl., Kap. 6, Rz. 237 ff.).
Dies ergibt folgende Unterhaltsberechnung:
Bedarf: 1/2 (9/10 2.856,00 + 2 × 400) = 1.686,00
Höhe: 1.686,00 - 400,00 = 1.286,00.
Da dieser Betrag einschl. der Krankenvorsorge mit 1.565 Euro (1.286,00 + 279,00) bereits über dem vom FamG titulierten Unterhalt liegt, ist eine Berechnung des Vorsorgeunterhalts entbehrlich.
Ab Mai 2002 hat die Klägerin entspr. der geänderten Rechtsprechung des BGH ein eheprägendes Erwerbseinkommen von 275 Euro (BGH v. 13.6.2001 – XII ZR 343/99, MDR 2001, 991 = BGHReport 2001, 549 = FamRZ 200...