Entscheidungsstichwort (Thema)

Örtliche Zuständigkeit bei Ansprüchen wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung in Bezug auf Prospektfehler - Vorlage an BGH

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Anwendungsbereich von § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO. (amtlicher Leitsatz) Dass die Neufassung des § 32b Abs. 1 ZPO den Anwendungsbereich der Nr. 1 über die von der Rechtsprechung angenommenen Fälle hinaus erweitert hätte, ist nicht ersichtlich. Ansprüche aus so genannter uneigentlicher bzw. Prospekthaftung im weiteren Sinne etwa wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung in Bezug auf Prospektfehler begründen nicht ohne weiteres die Prospektverantwortlichkeit und bilden deshalb als solche keinen Fall der Nr. 1. Namentlich ergibt sich aus dem Innehaben bestimmter Funktionen in der Fondsgesellschaft nicht schon als solche eine Prospektverantwortlichkeit im engeren Sinne (Vorlage an den Bundesgerichtshof wegen Abweichens von KG vom 11.5.2015, 2 U 5/15, OLG Frankfurt am Main vom 29.9.2015, 14 SV 12/15, und OLG Karlsruhe vom 25.2.2014 - 17 U 242/12).

 

Normenkette

ZPO § 32b Abs. 1, § 36 Abs. 1 Nr. 6 Abs. 3, § 32b Abs. 1 Nrn. 1-2, §§ 29c, 32b

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 11.12.2015; Aktenzeichen 27 O 19658/15)

 

Tenor

Die Sache wird dem Bundesgerichtshof vorgelegt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer Kapitalbeteiligung.

1. Mit am 14.12.2015 zugestellter Klageschrift vom 2.11.2015 zum LG München I (Az. 27 O 19685/15) begehrt der im Bezirk des LG Koblenz wohnhafte Kläger von der in Berlin ansässigen Beklagten Schadensersatz wegen einer verlustbringenden Kapitalanlage, nämlich seiner mittelbaren Beteiligung gemäß Zeichnung vom 2.11.2005 an einem am 4.3.2005 in das Handelsregister (K 4) eingetragenen Medienfonds (E. P. Medienfonds GmbH & Co. KG IV) mit Verwaltungssitz in Grünwald (LGbezirk München I). Gründungskommanditistin war nach dem Handelsregisterauszug (K 4) eine E. P. AG, die im Emissionsprospekt - Stand: 10.8.2005 - (K 6, z.B. Seiten 53, 59, 73 und 85 sowie Impressum) als solche ebenso wie als Prospektherausgeberin, Initiatorin und Konzeptionärin aufgeführt ist.

Bei der Beklagten handelt es sich dem Klägervortrag zufolge um die im Prospekt (z.B. Seiten 50, 59, 74 f. und 95 f.) unter ihrer früheren Firma benannte Direktkommanditistin, Treuhänderin und Mittelverwendungskontrolleurin der Fondsgesellschaft. Sie wurde am 2.11.2005 unter ihrer früheren Firma als (weitere) Kommanditistin im Handelsregister eingetragen, ist jedoch nach Ansicht des Klägers gleichfalls als Gründungskommanditistin anzusehen und daher haftungsrechtlich als solche zu behandeln.

Seine Ansprüche stützt der Kläger auf Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten aus der Stellung der Beklagten als Treuhandkommanditistin, ferner auf vorsätzliche sittenwidrige Schädigung wegen unterlassener Aufklärung darüber, dass bereits beim Vorgängerfonds die prospektierte Mittelverwendung tatsächlich nicht stattgefunden habe, sowie auf Beihilfe zum behaupteten Kapitalanlagebetrug der Fondsgesellschaft. Die der Beitrittserklärung vorausgegangene Beratung durch die Vermittlerin Tanja B. habe anhand des damals als Arbeitsgrundlage verwendeten Emissionsprospekts in seiner Privatwohnung stattgefunden, nachdem die Vermittlerin in einem vorangegangenen Telefonat sein Interesse geweckt gehabt habe. Der Prospekt sei in erheblichem Umfang mangelhaft (fehlerhaft kalkulierte Rendite, Totalverlustrisiko, steuerliche Auswirkungen, unrichtige Darstellung der Mittelverwendungskontrolle); darüber sei nicht aufgeklärt worden.

2. Das LG München I hielt sich gemäß einer beiden Parteien formlos mitgeteilten schriftlichen Verfügung vom 11.11.2015 für örtlich nicht zuständig. Mitverklagt seien nicht die zu § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO bezeichneten Personen. Eine Zuständigkeit ergebe sich auch nicht aus § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO, weil die Beklagte nach dem Klägervortrag nicht Prospektverantwortliche sei. Für eine Zuständigkeit des angegangenen Gerichts nach § 32 ZPO fehle es an schlüssigem Tatsachenvortrag.

Mit Beschluss vom 11.12.2015 hat sich das Gericht für örtlich unzuständig erklärt und auf den am 9.12.2015 mit Möglichkeit zur Stellungnahme binnen einer Woche an die Beklagte hinausgegebenen - dort am 15.12.2015 eingegangenen - Hilfsantrag des Klägers vom 4.12.2015 den Rechtsstreit an das LG Koblenz als zuständiges Gericht aufgrund der geschilderten Haustürsituation (§ 29c ZPO) verwiesen.

Begründet hat das LG dies noch damit, dass zwar geltend gemacht sei, die Beklagte habe die Stellung einer aufklärungspflichtigen Gründungsgesellschafterin übernommen; nicht behauptet werde jedoch, sie habe etwas mit dem Management der Gesellschaft zu tun oder beherrsche diese gar, sei es nach außen hin zutage tretend, sei es als "Hintermann". Ebenso wenig sei vorgetragen, dass die Beklagte eine Garantenstellung eingenommen habe und durch ihre Mitwirkung bei der Prospektgestaltung nach außen hin in Erscheinung getreten sei. Ihre Eigenschaft als Treuhänderin und Mittelverwendungskontrolleurin...

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