Entscheidungsstichwort (Thema)

Ersatzzustellung mit mangelhafter Zustellungsurkunde

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einer Ersatzzustellung durch Niederlegung ist der Ort der Zustellung/der Mitteilung über die Niederlegung in verkehrsüblicher Weise auch nach Straße und Hausnummer näher zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so leidet die Zustellung unter einem erheblichen Mangel, der die Zustellung unwirksam macht.

2. Eine Berichtigung der Zustellungsurkunde nach ihrer Rücksendung ändert an diesem Ergebnis grundsätzlich nichts.

 

Normenkette

ZPO §§ 182, 191

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 24 O 11601/01)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des LG München I, 24. Zivilkammer, vom 22.8.2001 aufgehoben.

II. Der Einspruch des Beklagten gegen den Vollstreckungsbescheid des AG München vom 26.3.2001 ist zulässig.

III. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

IV. Der Wert des Beschwerdegegenstands wird auf 20.880 DM festgesetzt.

 

Gründe

I. Mit Vollstreckungsbescheid des AG München vom 26.3.2001 zum Scheckmahnbescheid vom 21.2.2001 wurde der Beklagte zur Zahlung von 20.880 DM verurteilt. Die Urkunde über die Zustellung des Vollstreckungsbescheids durch Niederlegung vom 30.3.2001 enthält nicht die Angabe von Straße und Hausnummer der Wohnung des Beklagten. Am 27.6.2001 legte der Beklagte gegen den Vollstreckungsbescheid Einspruch ein und beantragte gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist.

Nach Verweisung an das LG wies dieses mit Beschl. v. 22.8.2001 (Bl. 41/44 d.A.) den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf den Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid.

Gegen den am 10.9.2001 zugestellten Beschluss legte der Beklagte am 24.9.2001 sofortige Beschwerde mit dem Ziel der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist ein.

Der Kläger hält die sofortige Beschwerde des Beklagten für unbegründet.

II. Das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde des Beklagten gegen den landgerichtlichen Beschl. v. 22.8.2001 ist zulässig (§§ 700, 339, 341 Abs. 2, 567, 569, 577 ZPO).

Das Rechtsmittel ist begründet.

Die Postzustellungsurkunde, mit der die Zustellung des Vollstreckungsbescheids vom 26.3.2001 beurkundet werden sollte, enthält einen wesentlichen Mangel. In der Urkunde ist lediglich die Gemeinde als Ort der Zustellung (§ 191 Nr. 1 ZPO), nicht aber Straße und Hausnummer genannt (vgl. Nr. 1.3 und 7.1 der Postzustellungsurkunde vom 30.3.2001, Anlage zu Bl. 2 d.A.). Bei einer (Ersatz-)Zustellung durch Niederlegung (§ 182 ZPO) ist jedoch der Ort der Zustellung/der Mitteilung über die Niederlegung in verkehrsüblicher Weise auch nach Straße und Hausnummer näher zu bezeichnen (Zöller/Stöber, ZPO, 22. Aufl., § 191 Rz. 2; Musielak/Wolst, ZPO, 2. Aufl., § 191 Rz. 2; ähnlich Thomas/Putzo, ZPO, 23. Aufl., § 191 Rz. 2; Wieczorek, ZPO, 2. Aufl., § 191 Anm. B Ia, B IIa 1).

Die Ansicht, die Räumlichkeit müsse angegeben werden, soweit dies bei der Ersatzzustellung der §§ 181 bis 184 ZPO nach § 191 Nr. 4 ZPO nötig sei (Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl., § 191 Rz. 4; Wenzel in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 191 Rz. 2), führte im Streitfall eher nicht zu einem anderen Ergebnis. Es handelt sich hier nicht um einen kleinen Ort mit einigen wenigen Anwesen.

Die Zustellung ist wirksam bei bloßen Ungenauigkeiten, wenn sich aus dem Zusammenhang die notwendigen Bestandteile des § 191 ZPO feststellen lassen (BGH LM Nr. 2 zu § 191 ZPO; Thomas/Putzo, ZPO, 23. Aufl., § 191 Rz. 8; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl., § 190 Rz. 5). Dies ist hier nicht der Fall. Es handelt sich im Streitfall auch nicht um die Verletzung einer Vorschrift bloß instruktioneller Natur wie etwa der Vorschrift des § 194 Abs. 2 ZPO, falls sich der Empfänger der Zustellung bei dem Zustellungsakt über die Person, für welche die Zustellung erfolgt, im Klaren war.

Unwirksam ist nach herrschender Meinung die Zustellung, wenn einer der Bestandteile des § 191 Nr. 1 bis 7 ZPO fehlt (BGH LM Nr. 2 zu § 191 ZPO; BGH v. 29.6.1989 – III ZR 92/87, MDR 1990, 32 = NJW 1990, 176 = Rpfleger 1989, 417, Thomas/Putzo, ZPO, 23. Aufl., § 191 Rz. 7; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl., § 190 Rz. 4). Die Regelung des § 190 Abs. 1 ZPO und die strengen Voraussetzungen des § 191 ZPO hätten keinen Sinn, wenn die Zustellungsurkunde lediglich auf die Funktion eines Beweismittels beschränkt wird. Ist daher eine Zustellungsurkunde formell mangelhaft aufgenommen worden, so macht das die Zustellung unwirksam (Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl., § 190 Rz. 1; vgl. auch VGH Kassel NJW 1996, 1074 m.w.N.).

Durch die Postzustellungsurkunde vom 30.3.2001 ist nicht die wesentliche Förmlichkeit belegt, dass die Zustellung des Vollstreckungsbescheids unter der – in der Urkunde nicht angegebenen – Zustellanschrift, nämlich in der Wohnung des Adressaten in der K. 2, versucht und die Benachrichtigung über die vorzunehmende Niederlegung dort in den Hausbriefkasten eingelegt worden ist. Es entspricht nicht de...

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