Leitsatz (amtlich)
Bestimmt die Gemeinschaftsordnung, dass die Vertretung durch einen schriftlich Bevollmächtigten zulässig ist und wird auf Verlangen eines Versammlungsteilnehmers das Original der Vollmachtsurkunde nicht vorgelegt, so ist vom Nichtbestand der Vollmacht auszugehen. Eine gegenteilige Handhabung bedingt die Anfechtbarkeit der gefassten Beschlüsse, falls sich die Stimme auf das Beschlussergebnis ausgewirkt hat.
Tatbestand
Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage, die aus insgesamt 50 Einheiten besteht und gegenwärtig von der weiteren Beteiligten verwaltet wird. Die Antragsgegnerin zu 1 war im Februar 2006 Verwalterin der Wohnanlage. Sie ist auch Teileigentümerin von fünf Garagen.
Die Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung vom 9.4.1999 bestimmt unter A.
XIII 4:
Die Eigentümerversammlung ist beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte aller Miteigentumsanteile vertreten sind. Ein Miteigentümer kann sich durch den Verwalter, durch seinen Ehegatten, durch einen anderen Miteigentümer oder einen Dritten vertreten lassen. Die Vollmacht bedarf der Schriftform.
Wird ein Miteigentümer durch seinen Ehegatten vertreten, so muss dieser seine Vertretungsbefugnis nicht durch eine schriftliche Vollmacht nachweisen, solange kein Zweifel an seiner Vertretungsmacht besteht.
... Das Stimmrecht bestimmt sich nach den 1.000steln der Miteigentumsanteile. Jedes 1.000stel gibt eine Stimme.
In den Jahren 2004 und 2005 wurden keine Eigentümerversammlungen einberufen.
Am 22.2.2006, 11.00 Uhr, fand eine Wohnungseigentümerversammlung statt. Im Protokoll ist eine grundsätzlich gegebene Beschlussfähigkeit der Versammlung durch Anwesenheit von 922/1.000 Miteigentumsanteilen festgehalten. Bei der Berechnung ging der Versammlungsleiter davon aus, dass 792 Stimmen, die insgesamt 34 Miteigentümern zuzurechnen sind, durch ihn selbst als Vertreter der Antragsgegnerin zu 1 vertreten wurden. Bei den vertretenen Wohnungseigentümern handelt es sich um Gesellschafter einer Mietpoolgesellschaft, deren Geschäftsführerin die Antragsgegnerin zu 1 zugleich war.
In der Versammlung wurden vom Versammlungsleiter weder eine ihm von der Antragsgegnerin zu 1 erteilte schriftliche Vollmacht noch solche der vertretenen Wohnungseigentümer vorgelegt.
Das Protokoll enthält zu den einzelnen Tagesordnungspunkten (TOP) folgende Beschlüsse:
TOP 4:
Beschluss zur Genehmigung der Einzel- und Gesamtabrechnungen für das Kalenderjahr 2004.
Abstimmungsergebnis: Angenommen mit 792/922 Stimmen
Top 6:
Beschluss zur Genehmigung der vorgelegten Gesamt- und Einzelwirtschaftspläne für das Wirtschaftsjahr 2005/2006 ab dem 01. 3. 2006.
Abstimmungsergebnis: Angenommen mit 792/922 Stimmen
TOP 8:
Bestellung der Antragsgegnerin zu 1 zur Verwalterin der Liegenschaft für den Zeitraum vom 01.08.2006 bis 31.07.2011.
Abstimmungsergebnis: Angenommen mit 792/922 Stimmen
TOP 9:
Verlängerung des Verwaltervertrags vom 30. Juli 2001 bis nunmehr 31.07.2011
Abstimmungsergebnis: Angenommen mit 792/922 Stimmen
Die Antragsteller haben u. a. die Ungültigerklärung der vorgenannten Beschlüsse beantragt. Das Amtsgericht hat diesem Antrag mit Beschluss vom 11.5.2006 stattgegeben. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegner hat das Landgericht mit Beschluss vom 18.5.2007 in der Sache zurückgewiesen. Gegen den landgerichtlichen Beschluss richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1.
In der Eigentümerversammlung vom 25.10.2006 wurde beschlossen, die weitere Beteiligte als Verwalterin ab dem 1.8.2006 zu bestellen; der Verwaltungsbeirat wurde beauftragt und bevollmächtigt, einen neuen Verwaltervertrag abzuschließen.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Für das Verfahren ist das bis 30.6.2007 geltende Recht anzuwenden (vgl. § 62 Abs. 1 WEG n.F.). Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde ist zulässig. Die Antragsgegnerin zu 1 ist beschwerdeberechtigt.
Maßgebend für die Frage, ob ein Beteiligter in einem Verfahren nach dem Wohnungseigentumsgesetz beschwerdeberechtigt ist, sind § 43 Abs. 1 Satz 1 WEG a.F., §§ 20, 29 Abs. 4 FGG. Danach ist erforderlich, dass der Beschwerdeführer materiell beschwert ist, die angefochtene Entscheidung also materielle subjektive Recht des Beschwerdeführers unmittelbar beeinträchtigt (vgl. BGH NJW 2003, 3124/3125 m.w.N.). Im Beschlussanfechtungsverfahren nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG a.F. dient das Anfechtungsrecht nicht nur dem persönlichen Interesse des anfechtenden Wohnungseigentümers, sondern dem Interesse der Gemeinschaft an einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Daher genügt in diesem Verfahren bereits das grundsätzliche Interesse eines Wohnungseigentümers, eine ordnungsmäßige Verwaltung zu erreichen. Nichts anderes gilt auch für die Wohnungseigentümer, die der Anfechtung eines Eigentümerbeschlusses entgegentreten. Auch bei ihrem Anliegen muss davon ausgegangen werden, dass es der ordnungsmäßigen Verwaltung dient (vgl. dazu BGH NJW 2003, 3124).
Die Beschwerdeberechtigung der Antra...