Leitsatz (amtlich)
1. Der besondere Gerichtsstand der Widerklage gilt nicht für widerbeklagte Dritte (Vorlage an den BGH wegen Abweichung von OLG Dresden).
2. Die Bestimmung des Gerichts der Klage als gemeinsam zuständiges Gericht für Widerklage und Drittwiderklage setzt nicht voraus, dass einer der widerbeklagten Streitgenossen dort seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (Vorlage an den BGH wegen Abweichung von OLG Dresden).
Normenkette
ZPO §§ 33, 36
Verfahrensgang
LG Augsburg (Aktenzeichen 9 O 2103/07) |
Nachgehend
Tenor
Der Antrag vom 26.11.2007 auf Bestimmung des zuständigen Gerichts wird dem BGH zur Entscheidung vorgelegt.
Gründe
I. Mit der zum LG Augsburg erhobenen Klage beantragt der Kläger, die Beklagte zu 1 und den Beklagten zu 2 als Gesamtschuldner zu verurteilen, an eine näher bezeichnete Erbengemeinschaft 160.000 EUR zu bezahlen. Hintergrund des Rechtsstreits sind im Jahre 2005 ausbezahlte Entschädigungsleistungen des Vereinigten Königreichs für zu Kriegszeiten vom englischen Staat beschlagnahmte Konten der 1957 verstorbenen Großmutter und des 1941 verstorbenen Großvaters des Klägers. In Streit stehen Geschehnisse um einen Finanzierungsvertrag im Zusammenhang mit den Bemühungen, den englischen Staat zu entsprechenden Entschädigungsleistungen zu bewegen. Die Beklagte zu 1 erhob Widerklage gegen den Kläger und Drittwiderklage gegen ein bisher nicht am Verfahren beteiligtes Mitglied der Erbengemeinschaft. Der Kläger und Widerbeklagte hat seinen allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk des LG München II, der Drittwiderbeklagte im Bezirk des LG Köln (zum Zeitpunkt der Zustellung der Widerklage im Bezirk des LG Koblenz). Die Widerklägerin hat beantragt, das LG Augsburg als gemeinsam zuständiges Gericht für Widerklage und Drittwiderklage zu bestimmen.
II. Der Senat hält die Voraussetzungen der Bestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO für gegeben. An der Vornahme der Bestimmung sieht er sich jedoch durch die Entscheidung des OLG Dresden vom 17.4.2002, 1 AR 17/02 gehindert. Das OLG Dresden hält in Fällen der Widerklage und Drittwiderklage - sog. (nicht isolierte) Partei erweiternde Widerklage - eine Bestimmung nicht mehr für zulässig. Der Bestimmungsantrag wird daher gem. § 36 Abs. 3 ZPO dem BGH zur Entscheidung vorgelegt. Diese hängt von der Beantwortung von zwei Rechtsfragen ab: (1.) Ist die Bestimmung des Gerichts der Klage als gemeinsam zuständiges Gericht für Widerklage und Drittwiderklage generell unzulässig, weil der Gerichtsstand der Widerklage (§ 33 ZPO) auch für die Drittwiderklage gilt, es mithin einer Bestimmung gar nicht bedarf? (2.) Ist die Bestimmung des Gerichts der Klage als gemeinsam zuständiges Gericht für Widerklage und Drittwiderklage, wenn nicht bereits generell ausgeschlossen, nur dann zulässig, wenn wenigstens eine Partei aus dem Kreis der Widerbeklagten und Drittwiderbeklagten dort seinen allgemeinen Gerichtsstand hat? Im Gegensatz zum OLG Dresden verneint der vorlegende Senat beide Fragen.
1. Der Senat ist nach § 36 Abs. 2 ZPO zur Behandlung des Bestimmungsantrags berufen, weil das mit dem Hauptsacheverfahren befasste LG Augsburg, nicht aber das Gericht des allgemeinen Gerichtsstands des Drittwiderbeklagten, zu seinem Bezirk gehört (hypothetische BGH-Zuständigkeit). Der Anwendungsbereich der Divergenzvorlage nach § 36 Abs. 3 ZPO ist eröffnet (vgl. BGH NJW 2000, 3214).
2. Die Voraussetzungen der Bestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor. Widerbeklagter und Drittwiderbeklagter werden gesamtschuldnerisch in Anspruch genommen und sind Streitgenossen nach § 59 ZPO. Ein gemeinschaftlicher allgemeiner oder besonderer Gerichtsstand, der die Bestimmung ausschlösse (vgl. BGH NJW 2000, 1871), besteht nicht. Darauf, ob einer der widerbeklagten Streitgenossen seinen allgemeinen Gerichtsstand am Gericht der Klage hat, kommt es nach Auffassung des Senats nicht an.
a) Für Widerklage und Drittwiderklage besteht insbesondere nicht ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nach § 33 ZPO am Gericht der Klage. Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 1991, 2838; 1993, 2120) gilt der Gerichtsstand der Widerklage (§ 33 ZPO) nicht für die Drittwiderklage. Der Senat teilt nicht die Auffassung, dass diese Rechtsprechung " überholt" wäre, wie Vollkommer (in Zöller ZPO, 26. Aufl., § 36 Rz. 15 a.E.) behauptet und wovon auch das OLG Dresden ausgeht. Diese Auffassung dürfte, wie nachfolgend ausgeführt wird, auf einer Verkennung der Reichweite der Entscheidung des BGH in NJW 2000, 1871 beruhen. Im Gegensatz zum OLG Dresden sieht der Senat keinen Grund, die Rechtsprechung des BGH, dass § 33 ZPO nicht für die Drittwiderklage gilt, als überholt anzusehen oder in Frage zu stellen und von ihr abzuweichen.
b) Das OLG Dresden versteht BGH NJW 2000, 1871 im Anschluss an den Aufsatz von Vollkommer/Vollkommer in VRP 2000, 1062 dahin, dass der Weg nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO im Fall der Drittwiderklage "nicht mehr gangbar" sei (vgl. auch Zöller/Vollkommer a.a.O.: "ohne praktis...