Entscheidungsstichwort (Thema)

Gaspreis

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch in Fragen der Zuständigkeitsbestimmung geht die gesetzliche Zuständigkeit des Kartellsenats derjenigen der allgemeinen Zivilsenate in analoger Anwendung der Vorschriften § 102 Abs. 1, § 106 Abs. 1 EnWG vor.

2. § 102 Abs. 1 EnWG begründet keine ausschließliche Zuständigkeit der LG für einen Rechtsstreit um Zahlungsansprüche aus einem Gaslieferungsvertrag, denen der Abnehmer entgegenhält, die Festsetzung des Gaspreises entspreche nicht der Billigkeit gem. § 315 BGB.

 

Normenkette

EnWG § 102 Abs. 1; BGB § 315

 

Verfahrensgang

LG Passau (Aktenzeichen 1 HK O 32/09)

AG Passau (Aktenzeichen 17 C 2503/08)

 

Tenor

Zuständig ist das AG Passau.

 

Gründe

Die Klägerin ist ein Gasversorgungsunternehmen. Sie klagt eine Forderung von 1.971,98 EUR für Gaslieferungen an den Beklagten als Endkunden ein, deren Begleichung dieser u.a. unter Berufung auf die Unbilligkeit der von der Klägerin festgesetzten Preise verweigert.

Das AG Passau hat sich mit Beschluss vom 24.3.2009 (Bl. 139 ff. d.A.) unter Berufung auf § 102 Abs. 1 Satz 2 EnWG für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das LG Passau verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich die Prüfung, ob die Entgeltbestimmung der Klägerin billigem Ermessen nach § 315 Abs. 3 BGB entspreche, nach dem Energiewirtschaftsgesetz richte, denn nach § 1 Abs. 1 EnWG sei Zweck des Gesetzes eine möglichst sichere, preisgünstige verbraucherfreundliche, effektive und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas. Damit sei auch für Gaslieferungsverträge und für die Entgeltbestimmung der das gesamte Energiewirtschaftsrecht beherrschende Grundsatz der preisgünstigen Versorgung zu berücksichtigen; deshalb hänge die Entscheidung im Streitfall auch von Entscheidungen ab, die nach dem Energiewirtschaftsgesetz zu treffen seien.

Das LG Passau hat sich mit Beschluss vom 1.4.2009 (Bl. 144 ff. d.A.) ebenfalls für sachlich unzuständig erklärt und das OLG München um Bestimmung des zuständigen Gerichts ersucht.

Der 31. Zivilsenats des OLG München, zu dessen Geschäftsaufgaben nach dem Geschäftsverteilungsplan grundsätzlich die Bestimmung des zuständigen Gerichts zählt, hat die Akten unter Hinweis auf die Kompetenzkompetenz des Kartellsenats an diesen abgegeben.

II. Zuständig für die Zuständigkeitsbestimmung ist der Kartellsenat. Dessen gesetzliche Zuständigkeit geht derjenigen der allgemeinen Zivilsenate in analoger Anwendung der Vorschriften § 102 Abs. 1, § 106 Abs. 1 EnWG auch in Fragen der Zuständigkeitsbestimmung vor (vgl. zur entsprechenden Situation bei Kartellrechtsstreitigkeiten Dicks in: Loewenheim/Meessen/Riesen-kampff, Kartellrecht - Bd. 2 GWB, 2006, § 87 Rz. 29 mit Hinweis auf OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.7.2005 - VI-W [Kart] 6/05).

III.1. Das für den Rechtsstreit zuständige Gericht ist gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu bestimmen, nachdem sich sowohl das AG Passau als auch das LG Passau für unzuständig erklärt haben.

2. Das AG Passau ist gem. § 23 Nr. 1 GVG sachlich zuständig, da eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit mit einem unter 5.000 EUR liegenden Streitwert gegeben ist, für die keine besondere Zuständigkeitsregelung gilt. Insbesondere ist die Zuständigkeit des AG weder durch § 102 Abs. 1 EnWG noch durch § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO ausgeschlossen.

a) Im Streitfall sind die Voraussetzungen des § 102 Abs. 1 EnWG nicht gegeben.

aa) Nach Satz 1 dieser Vorschrift sind für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, die sich aus dem Energiewirtschaftsgesetz ergeben, die LG ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes ausschließlich zuständig. Eine sich in diesem Sinn aus dem Energiewirtschaftsgesetz ergebende Rechtsstreitigkeit i.S.d. § 102 Abs. 1 Satz 1 EnWG liegt bei Leistungsklagen dann vor, wenn diese auf eine Norm dieses Gesetzes als Anspruchsgrundlage gestützt sind (vgl. Hölscher in: Britz/Hellermann/Hermes, EnWG2008, § 102 Rz. 11).

Die ausschließliche Zuständigkeit der LG besteht nach § 102 Abs. 1 Satz 2 EnWG auch dann, wenn die Entscheidung eines bürgerlichrechtlichen Rechtsstreits ganz oder teilweise von einer Entscheidung abhängt, die nach dem Energiewirtschaftsgesetz zu treffen ist. Hierfür muss sie von einer Vorfrage abhängig sein, die - wäre sie Hauptfrage - unter § 102 Abs. 1 Satz 1 EnWG fiele; dabei ist das Merkmal der Vorgreiflichkeit streng zu handhaben (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 24.10.2007 - 8 W 80/07, juris, dort Tz. 6 m.w.N.). Nicht ausreichend ist es, wenn in die Streitentscheidung lediglich allgemeine Wertungsmaßstäbe einfließen, die in anderem Zusammenhang auch im Energiewirtschaftsrecht Berücksichtigung finden können, ohne dass eine konkrete energiewirtschaftsrechtliche Vorfrage aufgeworfen wird.

bb) Weder ergibt sich der Streitfall aus dem Energiewirtschaftsgesetz noch hängt seine Entscheidung von einer energiewirtschaftsrechtlichen Vorfrage ab.

(1) Der vorliegende Streit betrifft Zahlungsansprüche, die sich allein aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag ergeben. V...

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