Leitsatz (amtlich)

Enthält eine Teilungserklärung die Bestimmung "Die einzelnen Eigentümer der Reihenhauseigentumseinheiten sollen wirtschaftlich soweit wie möglich gestellt werden, als ob sie Alleineigentümer der betreffenden Grundstücks- und Gebäudeeinheiten seien", sind Abwehrrechte der anderen Wohnungseigentümer gegen bestimmte Nutzungen und bauliche Veränderungen in der Regel ausgeschlossen, sofern nicht der Bestand von der Gemeinschaft dienender Anlagenteile als solcher beeinträchtigt oder gegen allgemeine nachbarrechtliche oder nachbarschützende bauordnungsrechtliche Normen verstoßen wird.

 

Normenkette

BGB § 1004; WEG §§ 13-15

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 19.12.2007; Aktenzeichen 1 T 6330/07)

AG München (Beschluss vom 23.03.2007; Aktenzeichen 484 UR II 1326/06 WEG)

 

Tenor

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde werden die Beschlüsse des AG München vom 23.3.2007 und des LG München I vom 19.12.2007 jeweils mit Ausnahme der Geschäftswertfestsetzung aufgehoben.

II. Der Antrag wird zurückgewiesen.

III. Der Antragsteller trägt die Gerichtskosten aller drei Instanzen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

IV. Der Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 1.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten sind Wohnungseigentümer der aus Reihenhäusern bestehenden Verfahrensgegenständlichen Wohnanlage. Die Teilungserklärung vom 9.8.1974 (Anlage K 1) enthält folgenden Abschnitt IV:

"Die Aufteilung der Reihenhauseinheiten in Eigentumseinheiten nach dem Wohnungseigentumsgesetz erfolgt, da eine Realteilung nicht in Frage kommt. Die einzelnen Eigentümer der Reihenhauseigentumseinheiten sollen wirtschaftlich jedoch soweit wie möglich gestellt werden, als ob sie Alleineigentümer der betreffenden Grundstücks- und Gebäudeeinheiten seien. ..."

§ 3 Abs. 2 und 3 der Gemeinschaftsordnung (Anlage K 3) lauten:

"(2) Der Haus- (Garagen-)Eigentümer ist berechtigt sein Sondereigentum nach Belieben zu nutzen, soweit sich nicht Beschränkungen aus dem Gesetz und dieser Gemeinschaftsordnung ergeben. Im Interesse des friedlichen Zusammenlebens ist der Gebrauch nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrsitte so auszuüben, dass weder einem anderen Hauseigentümern noch einem Hausbewohner über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidbare Maß eine Beeinträchtigung oder ein Nachteil erwächst.

(3) Entsprechend Abschnitt IV. hat jeder Hauseigentümer das Recht, die im Gemeinschaftseigentum stehenden aber im Bereich seines Sondereigentums befindlichen Teile des Grundstückes und des Gebäudes, dazu auch den bei seinem Haus befindlichen Garten unter Ausschluss der übrigen Eigentümer zu verwalten und in jeder Weise zu nutzen (Sondernutzung). Er hat demgemäß auch die gesamten Lasten und Kosten der zum Bereich seines Sondereigentums gehörenden Gebäudlichkeiten und Grundflächen, auch soweit diese im Gemeinschaftseigentum stehen, allein zu tragen und ist wirtschaftlich gesehen hinsichtlich seines Reihenhauses und seiner Gartenanteile wie ein Alleineigentümer zu behandeln."

Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Jahr 2004 ersetzten die Antragsgegner die Holzverschalung ihrer Balkonbrüstung auf der Südseite des Hauses, die in der Anlage einheitlich in dunkel gebeiztem Holz gehalten ist, durch nicht gestrichenes helles Fichtenholz.

Das AG gab dem Antrag die Antragsgegner zu verpflichten, die Brüstung des Balkons des verfahrensgegenständlichen Anwesens mit einem dem optischen Erscheinungsbild der Wohnanlage entsprechenden dunklen Farbanstrich zu versehen, mit Beschluss vom 23.3.2007 statt. Die dagegen vom den Antragsgegnern eingelegte sofortige Beschwerde wies das LG am 19.12.2007 zurück.

Gegen diesen am 27.12.2007 zugestellten Beschluss legten die Antragsgegner am 4.1.2007 formgerecht sofortige weitere Beschwerde ein, die am 28.1.2008 begründet wurde, ein mit dem Ziel der Beschlussaufhebung und Antragszurückweisung.

II. Die zulässige sofortige weitere Beschwerde ist begründet.

1. Das LG hat folgendes ausgeführt:

Die Antragsteller hätten einen Individualanspruch auf Farbangleichung nach § 1004 BGB, §§ 14, 15 WEG. Bei zutreffender Auslegung der Teilungserklärung stehe den Antragsgegnern nicht das Recht zu, ihre Hausfassade nach Belieben zu gestalten. Auch wenn nach der Teilungserklärung die Rechte der Antragsgegner wirtschaftlich den Rechten von Eigentümern entsprechen sollten, würden sie wegen § 3 Abs. 2 der Gemeinschaftsordnung nicht von den in §§ 14, 22 WEG statuierten Verpflichtungen befreit. Die andere Farbgestaltung sei ausweislich der in Augenschein genommenen Lichtbilder gut sichtbar und stelle eine erhebliche optische Beeinträchtigung des Gesamtbilds der Reihenhausanlage dar.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Darstellung im angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand (§ 43 Abs. 1 WEG, § 27 Abs. 2 FGG, § 546 ZPO), da sie die grundsätzliche Regelung des Abschnitts IV der Teilungserklärung, der die Rec...

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