Leitsatz (amtlich)
Einsicht in Mediationsakten: Eine Partei hat auch nach Abschluss des Verfahrens Anspruch auf Einsicht in gerichtliche Mediationsakten. Deren Vertraulichkeit steht dem nicht entgegen.
Normenkette
ZPO § 299 Abs. 2; EG-Richtlinie 2008/52 Art. 7
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 10.02.2009; Aktenzeichen 3 AR 166/05) |
Tenor
1. Der Bescheid des Präsidenten des LG München I vom 10.2.2009 wird aufgehoben.
2. Dem Antragsteller ist Einsicht in die Akten 3 AR 166/05 des LG München I zu gewähren.
3. Der Geschäftswert wird auf 300 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Mit Faxschreiben vom 19.1.2009 beantragte der Antragsteller Einsicht in die Akten 3 AR 166/05 des LG München I. Zur Begründung führte er aus, er sei in Gerichtsverfahren am LG München als Kläger und Beklagter beteiligt und habe im Nachhinein erfahren, dass das genannte Aktenzeichen in den Verfahren eine Rolle spiele.
Der Präsident des LG München I teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 10.2.2009 mit, es handele sich bei den Akten 3 AR 166/05 um Aktenteile, die ausschließlich für das zunächst angestrebte Mediationsverfahren zu dem Verfahren 28 O 8394/05 angelegt wurden. Da für Mediationsverfahren ein strenges Vertraulichkeitsprinzip gelte, sei die gewünschte Einsicht nicht möglich.
Gegen diese Entscheidung legte der Antragsteller mit Faxschreiben vom 10.3.2009 "sofortige Beschwerde" ein. Er führte darin u.a. aus, er habe das Schreiben vom 10.2.2009 am 3.3.2009 auf Rückfrage hin als Faxmitteilung erhalten.
Mit Schreiben vom 17.3.2009 teilte der Präsident des LG München I dem Antragsteller mit, dass es bei der Entscheidung vom 10.2.2009 verbleibe und bat um ausdrückliche Mitteilung, wenn weiterhin sofortige Beschwerde gegen die Verfügung eingelegt werde. Der Antragsteller wurde auch darauf hingewiesen, dass von der Vorlage der Akten an das OLG zur gerichtlichen Entscheidung wegen der Kostenrisiken derzeit abgesehen werde.
Mit Faxschreiben vom 23.3.2009 an den Präsidenten des LG München I beantragte der Antragsteller "die Aufhebung der Verschwiegenheit und die vollständige Akteneinsicht".
Der Präsident des LG München I leitete daraufhin am 6.4.2009 den Vorgang an den Generalstaatsanwalt beim OLG München weiter mit der Bitte, die Gesuche als Antrag auf gerichtliche Entscheidung dem OLG München zur Entscheidung vorzulegen.
Da das in der Zuleitungsverfügung erwähnte Schreiben des Antragstellers vom 23.3.2009 dem Vorgang versehentlich nicht beigefügt war, bat der Generalstaatsanwalt mit Schreiben vom 20.4.2009 um nachträgliche Übersendung.
Mit Schreiben vom 23.4.2009 reichte der Präsident des LG München I das Schreiben des Antragstellers vom 23.3.2004 an den Generalstaatsanwalt nach. Dieser übersandte mit Schreiben vom 27.4.2009, eingegangen am 28.4.2009, den Vorgang dem OLG München.
II. Die am 10.3.2009 eingegangene "sofortige Beschwerde" des Antragstellers ist als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. §§ 23 ff. EGGVG auszulegen. Dieser Antrag ist statthaft und zulässig.
Die Entscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht ergeht bei abgeschlossenen Verfahren gem. § 299 Abs. 2 ZPO, auch wenn der Antrag von den Parteien des beendeten Verfahrens gestellt wird (vgl. BFH NJW 2006, 399; Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 299 Rz. 6c). Entscheidungen nach § 299 Abs. 2 ZPO sind Justizverwaltungsakte, deren Rechtmäßigkeit nur im Rahmen eines Antrags nach §§ 23 ff. EGGVG überprüft werden kann (vgl. Zöller/Greger, a.a.O., Rz. 6).
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung muss gem. § 26 Abs. 1 EGGVG innerhalb eines Monats nach Zustellung oder schriftlicher Bekanntgabe schriftlich oder zu Niederschrift der Geschäftsstelle des OLG oder eines AG gestellt werden.
Diese Frist ist nicht gewahrt. Der Bescheid vom 10.2.2009 wurde dem Antragsteller nicht förmlich zugestellt. Da ein Nachweis über den Zeitpunkt der schriftlichen Bekanntgabe nicht vorliegt, ist von den Angaben des Antragstellers im Schreiben vom 10.3.2009 auszugehen. Die Monatsfrist endete somit am 3.4.2009. Das Schreiben des Antragstellers vom 10.3.2009 ist erst am 28.4.2009 beim OLG eingegangen.
Dem Antragsteller ist jedoch gem. § 26 Abs. 3 Satz 3 EGGVG von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Antragsfrist zu gewähren.
Der Antragsteller hatte seinen Antrag vom 10.3.2009 an den Präsidenten des LG München I, statt an das OLG München gerichtet. Die Einreichung eines Rechtsmittels bei einem unzuständigen Gericht oder einer unzuständigen Behörde wahrt zwar keine Fristen, doch darf ein Rechtssuchender darauf vertrauen, dass die mit der Sache befasst gewesene Behörde den bei ihr eingereichten, aber für ein Gericht bestimmten Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang dorthin weiterleiten wird. Geht der Schriftsatz so zeitig bei der mit der Sache befasst gewesenen Behörde ein, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, darf die Partei nicht nur darauf vertrauen, dass der Schriftsatz überhaupt weiter...