Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlende Feststellungen zum Mindestschuldumfang in Betäubungsmittelverfahren. Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot bei Körperverletzungsdelikten
Leitsatz (redaktionell)
1. a) Neben der Menge des Betäubungsmittels, auf die sich die Tat bezieht, spielt insbesondere dessen Qualität eine wesentliche Rolle für die Strafzumessung. Für den Schuldumfang ist entscheidend, welche betäubungsmittelrelevanten Wirkstoffmengen sich jeweils im verfahrensgegenständlichen Betäubungsmittelgemisch befunden haben. Der Tatrichter hat deshalb entweder konkrete Feststellungen zum Wirkstoffgehalt zu treffen oder von der für den Angeklagten günstigsten Qualität auszugehen, die nach den Umständen in Betracht kommt.
b) Auch wenn eine Wirkstoffbestimmung nicht (mehr) möglich ist, darf der Tatrichter die Frage nach dem Wirkstoffgehalt nicht offen lassen. Er muss vielmehr unter Berücksichtigung anderer hinreichend feststellbarer Tatumstände wie Herkunft, Preis und Beurteilung des Betäubungsmittels durch Tatbeteiligte und letztlich des Grundsatzes “im Zweifel für den Angeklagten„ feststellen, von welchem Wirkstoffgehalt und damit von welcher Qualität des Betäubungsmittels auszugehen ist
2. Bei einer Verurteilung wegen Körperverletzung kann deshalb allein der Gesichtspunkt, dass das Tatverhalten von der Missachtung des Rechts Dritter auf körperliche Unversehrtheit gekennzeichnet war, bei der Frage, ob die verhängte Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann, keine Berücksichtigung finden, da die §§ 223 ff. StGB gerade eine solche Verletzung tatbestandlich voraussetzen.
Verfahrensgang
LG Deggendorf (Urteil vom 26.02.2007) |
AG Deggendorf (Urteil vom 14.09.2006) |
Tenor
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Deggendorf vom 26. Februar 2007 samt den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz verurteilt wurde; mit aufgehoben werden der Gesamtstrafenausspruch und die Kostenentscheidung.
II. Im Übrigen wird die Revision des Angeklagten als unbegründet verworfen.
III. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Deggendorf zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Deggendorf verurteilte den Angeklagten am 14.9.2006 wegen Körperverletzung mit Sachbeschädigung, einer weiteren Körperverletzung, wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in zwei tatmehrheitlichen Fällen, der unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln in drei tateinheitlichen Fällen und einer weiteren unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln in drei tateinheitlichen Fällen unter Einbeziehung einer durch das Amtsgerichts Deggendorf am 6.7.2006, Ds 3 Js 2587/06, wegen vorsätzlicher Körperverletzung verhängten Freiheitsstrafe von drei Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden war, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr.
Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des vom Angeklagten erworbenen bzw. weitergegebenen Rauschgifts traf das Amtsgericht nicht.
Die Berufung des Angeklagten, die dieser auf das Strafmaß beschränkte, verwarf das Landgericht Deggendorf mit Urteil vom 26.2.2007 mit der Maßgabe, dass der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt wurde. Auch das Landgericht traf keine Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des vom Angeklagten erworbenen bzw. weitergegebenen Rauschgifts.
Mit der Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Das Landgericht hätte aufklären müssen, ob die von ihm ergriffenen Antiaggressionsmaßnahmen und seine Langzeittherapie gegen Alkohol und Drogenkonsum erfolgreich gewesen seien. Durch ein Sachverständigengutachten hätte aufgeklärt werden müssen, ob andere Reaktionsmittel ausreichend seien, um ihn von weiteren Körperverletzungsdelikten abzuhalten, und ob eine Abstinenz hinsichtlich Drogen und Alkohol hinreiche, um die Begehung weiterer Straftaten durch ihn zu verhindern. Die Sachrüge wird allgemein erhoben.
II.
Die statthafte (§ 333 StPO) und auch im Übrigen zulässige (§ 341 Abs. 1, §§ 344, 345 StPO) Revision des Angeklagten ist, soweit sie sich gegen die Verurteilung wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz wendet, begründet.
1. Allerdings hat die erhobene Verfahrensrüge keinen Erfolg. Der Senat nimmt hierzu auf die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft bei dem Revisionsgericht vom 16.5.2007 Bezug.
2. Die Revision ist jedoch insoweit begründet, als das Amtsgericht keine Feststellungen zum Wirkstoffgehalt der vom Angeklagten erworbenen bzw. weitergegebenen Betäubungsmittel getroffen hat. Der Rechtsfolgenausspruch durch das Amtsgericht war daher insoweit nicht durch ausreichende Feststellungen getragen, so dass die Beschränkung der Berufung des Angeklagten auf den Rechtsfolgenausspruch in diesem Umfang nicht wirksam war (vgl. Meyer-Goßner StPO 49. Aufl. § 318 Rn. 16 m.w.N.; BayObLGSt 1999, 105; OLG München Beschluss vom 18.4.2006 - 4 St RR 59/06).
Auch ohne eine entsprec...