Leitsatz (amtlich)
Zur Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses im Anschluss an eine Gerichtsstandsvereinbarung unter Kaufleuten, die nach Rechtshängigkeit der Streitsache beim örtlich zuständigen Gericht abgeschlossen wird (Anschluss an OLG Schleswig vom 26.7.2004, 2 W 136/04 = MDR 2005, 233; OLG Zweibrücken vom 19.5.2005, 2 AR 28/05 = MDR 2005, 1187).
Normenkette
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2, § 38 Abs. 1; Zpo § 261 Abs. 3 Nr. 2; ZPO § 281 Abs. 1, 2 S. 4
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 36 O 33/16) |
LG Traunstein (Aktenzeichen 1 HK O 4151/15) |
Tenor
Örtlich zuständig ist das LG Düsseldorf.
Gründe
I. Mit Klageschrift vom 23.11.2015 zum LG Traunstein (Az. 1 HKO 4151/15) begehrt der im Bezirk des LG Wuppertal wohnhafte Kläger von der nach dem Handelsregisterauszug im LGbezirk Traunstein ansässigen Beklagten im Weg der Stufenklage Erteilung eines Buchauszugs, Zahlung der sich aus dem Buchauszug ergebenden Provision, ferner von Schadensersatz wegen vorzeitiger Kündigung sowie Ausgleich. Zugrunde lag dem ein Handelsvertreterverhältnis im Bereich Fräs- und Drehmaschinen. Nach § 19 Abs. 4 des schriftlichen Vertrags aus dem Jahr 2014 war Traunstein als ausschließlicher Gerichtsstand vereinbart.
Die Beklagte geht davon aus, inzwischen den Anspruch auf Erteilung des Buchauszugs erfüllt zu haben.
Mit Schriftsatz vom 26.4.2016 hat die Beklagte erklärt, bereit zu sein, mit dem Kläger den Gerichtsstand Düsseldorf zu vereinbaren und mit einer Verweisung des Rechtsstreits an das LG Düsseldorf - Kammer für Handelssachen - auf Antrag des Klägers einverstanden zu sein. Auf den folgenden Verweisungsantrag des Klägers hat sich das LG Traunstein am 27.4.2016 für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das LG Düsseldorf verwiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, die Parteien könnten als Kaufleute nach § 38 Abs. 1 ZPO die Zuständigkeit des LG Düsseldorf vereinbaren. Diese Vereinbarung sei auch "nach Rechtshängigkeit der Klage während des Rechtsstreits jederzeit möglich (OLG Düsseldorf NJW 1961, 2355)".
Das LG Düsseldorf hat sich seinerseits mit Beschluss vom 10.5.2016 (Az. 36 O 33/16) für örtlich unzuständig erklärt, weil es eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Rechtshängigkeit für unzulässig erachtet und sich an die Verweisungsentscheidung, die es ohne Auseinandersetzung mit der herrschenden Meinung für willkürlich hält, nicht gebunden sieht. Es hat den Rechtsstreit zur Bestimmung des zuständigen Gerichts dem Oberlandesgericht München vorgelegt.
II. Die Voraussetzungen für die (örtliche) Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2, § 37 ZPO durch das zuständige Oberlandesgericht München, zu dessen Bezirk das zuerst befasste LG Traunstein gehört, sind gegeben (vgl. nur Zöller/Vollkommer ZPO 31. Aufl. § 36 Rn. 25 m.w.N.). Es liegen beiderseitige, den Parteien bekannt gegebene Entscheidungen vor, zum einen in Form eines grundsätzlich bindenden Verweisungsbeschlusses nach § 281 ZPO, zum anderen in Form einer abschließenden Verweigerung der Übernahme durch Unzuständigerklärung. Die damit verbundene jeweilige Leugnung der eigenen Kompetenz erfüllt das Tatbestandsmerkmal "rechtskräftig" in § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (siehe nur BGHZ 102, 338/340 m.w.N.).
Zuständig ist das LG Düsseldorf (Kammer für Handelssachen). An die vom LG Traunstein ausgesprochene Verweisung ist es gebunden. (Objektive) Willkür, die die Bindungswirkung aufheben würde, kann der Senat nicht feststellen.
1. Gemäß § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO sind Verweisungsbeschlüsse im Interesse der Prozessökonomie und zur Vermeidung von verfahrensverzögernden Zuständigkeitsstreitigkeiten unanfechtbar. Demnach entziehen sich auch ein sachlich zu Unrecht ergangener Verweisungsbeschluss und die diesem Beschluss zugrunde liegende Entscheidung über die Zuständigkeit grundsätzlich jeder Nachprüfung (st. Rechtspr.; BGHZ 102, 338/340; BGH NJW 2002, 3634/3635; Zöller/Greger § 281 Rn. 16).
2. Die Bindungswirkung entfällt, wenn der ergangene Beschluss schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen angesehen werden kann (BGH NJW-RR 2013, 764/765; NJW 2002, 3634/3635; Zöller/Greger § 281 Rn. 17 m.w.N.). Dies ist der Fall, wenn er jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich erachtet werden muss. Jedoch lässt bloßer Rechtsirrtum die Bindungswirkung nicht entfallen (BGH NJW-RR 2011, 1364; 1992, 902; Zöller/Greger § 281 Rn. 17). Nur bei groben Rechtsirrtümern (z.B. BGH NJW 2002, 3634/3635) fehlt es an der Bindung.
a) Das LG Traunstein war - wie es nicht verkannt hat - nach der ursprünglichen Gerichtsstandsvereinbarung (§ 38 Abs. 1 ZPO) sowie nach § 17 Abs. 1 ZPO das örtlich zuständige Gericht.
b) Eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Rechtshängigkeit begründet nach herrschender Meinung (Foerste in Musielak/Voit ZPO 13. Aufl. § 261 Rn. 14: "zweifelhaft") beim angegangenen zuständigen Gericht nicht dessen Unzuständigkeit und rechtfertigt deshalb auch nicht eine Verweisung (ständige Rechtsprechung des BGH; etwa NJW-RR 2010, 891/892; NJW 2001, 2477/2478; 1963, 585...