Leitsatz (amtlich)
1. Veräußert ein Wohnungseigentümer, dem mehrere Wohnungen gehören, einzelne davon, kommt es bei Geltung des gesetzlichen Kopfprinzips zu einer Vermehrung der Stimmrechte (wie BayObLG ZMR 2002, 527).
2. Ein Stimmrechtsausschluss kann nicht allein aus dem Umstand abgeleitet werden, dass Wohnungseigentum an nahe Angehörige mit dem Ziel übertragen wird, sich weitere Stimmrechte in der Eigentümerversammlung zu sichern. Maßgeblich ist vielmehr, ob in der Ausnutzung der Stimmenmehrheit ein Rechtsmissbrauch zu Lasten der Minderheit liegt. Solcherart zustande gekommene Beschlüsse sind auf Antrag für ungültig zu erklären.
3. Ein Beschluss, durch den eine Mehrzahl von Personen oder eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zum Verwalter bestellt wird, ist nichtig (BGH ZMR 2006, 375).
Normenkette
BGB § 242; WEG § 21 Abs. 4, § 23 Abs. 4, § 25 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Coburg (Beschluss vom 22.03.2006; Aktenzeichen 41 T 64/05) |
AG Kronach (Aktenzeichen UR II 9/04) |
Tenor
I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner zu 1) bis 3) gegen den Beschluss des LG Coburg vom 22.3.2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 17.6.2004 zu Tagesordnungspunkt 6 nichtig ist.
II. Die Antragsgegner zu 1) bis 3) tragen samtverbindlich die gerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens. Die Erstattung außergerichtlicher Kosten wird nicht angeordnet.
III. Die Geschäftswertfestsetzungen des LG und des AG werden aufgehoben. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren und das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 4.500 EUR und der Geschäftswert für das Verfahren vor dem AG auf 5.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage, die von der Antragstellerin errichtet wurde. Die beiden weiteren Beteiligten sind als "Hausverwaltung" bestellt. Die Teilungserklärung vom 6.4.1992 in der Fassung vom 1.7.1992 weist eine Aufteilung in insgesamt zehn Miteigentumsanteile auf, wobei sechs Miteigentumsanteile mit dem Sondereigentum an einer Wohnung und vier Miteigentumsanteile mit dem Sondereigentum an einem Hobbyraum verbunden sind. Weiterhin bestimmt die in der Teilungserklärung unter III. enthaltene Gemeinschaftsordnung (GO) in § 8:
Eigentümerversammlung
"In der Eigentümerversammlung hat jeder Eigentümer einer Sondereigentumseinheit eine Stimme. Steht eine Eigentumseinheit mehreren Personen zu, so können sie das Stimmrecht nur einheitlich ausüben."
Mit Beschluss des BayObLG vom 3.8.1998 (BayObLG v. 3.8.1998 - 2Z BR 74/98, BayObLGReport 1998, 73 = ZMR 1998, 797) wurde festgestellt, dass diese Regelung so auszulegen ist, dass jeder Wohnungs- und Teileigentümer der Wohnanlage bei Abstimmungen eine Stimme hat, gleichgültig wie viele Sondereigentumsrechte ihm zustehen (sog. Kopfstimmrecht).
Gemäß Vertrag vom 19.11.1998 erwarb der Antragsgegner zu 5) (Geschäftsführer der Antragstellerin) von der Antragstellerin das Teileigentum am Hobbyraum Nr. 10, die Eintragung im Grundbuch erfolgte am 11.12.1998.
Mit Überlassungsverträgen vom 1.12.1998 überließ die Antragstellerin zudem an den Antragsgegner zu 7) (Schwiegersohn des Geschäftsführers) sowie an die Antragsgegnerin zu 6) (Tochter des Geschäftsführers) das Teileigentum an den Hobbyräumen Nr. 7 bzw. Nr. 9. Der Eigentumsübergang wurde in das Grundbuch eingetragen.
Am 17.6.2004 fand eine Eigentümerversammlung statt. Die Eigentumsverhältnisse stellten sich zu diesem Zeitpunkt wie folgt dar:
Wohnung 1 87,03 qm = 183,61/1.000-stel Antragsgegner zu 1)
Wohnung 2 63,50 qm = 133,95/1.000-stel Antragsgegner zu 2)
Wohnung 3 87,59 qm = 184,77/1.000-stel Antragsgegnerin zu 3)
Wohnung 4 75,82 qm = 159,93/1.000-stel Antragsgegnerin zu 4)
Wohnung 5 69,57 qm = 147,73/1.000-stel Antragstellerin
Wohnung 6 76,31 qm = 160,01/1.000-stel Antragstellerin
Hobbyraum 7 10,04 qm = 6,805/1.000-stel Antragsgegnerin zu 6)
Hobbyraum 8 12,11 qm = 8,208/1.000-stel Antragsgegner zu 2)
Hobbyraum 9 9,44 qm = 6,398/1.000-stel Antragsgegner zu 7)
Hobbyraum 10 12,67 qm = 8,589/1.000-stel Antragsgegner zu 5)
Zu der Eigentümerversammlung erschienen die Antragsgegner zu 1) bis 3) sowie zu 5) persönlich, letzterer zugleich als gesetzlicher Vertreter der Antragstellerin. Dieser übergab zu Beginn der Versammlung an den Versammlungsleiter auf ihn ausgestellte Vollmachten der Antragsgegnerin zu 4) (seiner Lebensgefährtin) sowie der Antragsgegnerin zu 6) (Tochter) und des Antragsgegners zu 7) (Schwiegersohn). Im Laufe der Eigentümerversammlung wurden laut Niederschrift u.a. folgende Beschlüsse gefasst:
- TOP 5: Der Verwalter wird für das Wirtschaftsjahr 2003/2004 entlastet.
- TOP 6: Der Verwaltervertrag wird unter Erhöhung des Honorars auf 15,50 EUR monatlich pro Wohneinheit bis zum 31.1.2008 verlängert.
- TOP 7a: Der Reinigungsdienst K. wird weiterbeschäftigt.
- TOP 7b: Ein (genauer spezifizierter) Antrag der Antragstellerin hinsichtlich der Fahrzeugstellplätze wird abgelehnt.
- TOP 7c: Rückständige Beiträge des Antragsgegne...