Leitsatz (amtlich)
1. Der gesetzliche Pflichtteilsanspruch, der die Testierfreiheit begrenzt, kann nicht durch einseitige Verfügung von Todes dem Schiedsverfahren unterstellt werden. Darauf, ob sich dies im konkreten Fall zugunsten oder zulasten des Pflichtteilsberechtigten auswirkt, kommt es nicht an.
2. Zum Verstoß gegen den inländischen verfahrensrechtlichen ordre public, wenn das Schiedsgericht das Verfahren mit einer - nicht vereinbarten - Säumnisentscheidung abschließt.
Normenkette
ZPO § 1030 Abs. 1 S. 1, § 1048 Abs. 3, § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a, § 1059 Buchst. b, § 1060 Abs. 2 S. 1, § 1066
Verfahrensgang
Schlichtungs- und Schiedsgerichtshof Deutscher Notare (Aktenzeichen E-81-05/13) |
Nachgehend
Tenor
I. Der Antrag, den im Schiedsverfahren zwischen dem Antragsteller als Schiedskläger sowie der Antragsgegnerin als Schiedsbeklagter durch den Einzelschiedsrichter Dr. M. R. am 27.1.2015 ergangenen Schiedsspruch des Schlichtungs- und Schiedsgerichtshofs Deutscher Notare (Az. E-81-05/13) für vollstreckbar zu erklären, wird abgelehnt.
II. Der Schiedsspruch wird aufgehoben.
III. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
IV. Der Streitwert wird auf 5.937 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller machte mit seiner zum Schlichtungs- und Schiedsgerichtshof Deutscher Notare (SGH) erhobenen Schiedsklage vom 26.11.2013 gegen die Antragsgegnerin und Schiedsbeklagte, seine Schwester, einen auf 5.937,50 EUR bezifferten Pflichtteilsanspruch geltend. Der Erblasser, Vater der Parteien, hatte mit notariellem Testament vom 8.4.2004 die Antragsgegnerin zur Alleinerbin eingesetzt (Ziff. 2) und unter Ziff. 6 "Schiedsklausel" bestimmt:
Über alle Streitigkeiten über dieses Testament und aus diesem Testament und darüber hinaus über die Erbfolge nach mir, über evtl. Pflichtteilsrechte und -ansprüche und über alle Fragen der Behandlung meines Nachlasses soll ausschließlich ein Schiedsgericht nach den Regeln des Schlichtungs- und Schiedsgerichtshofs deutscher Notare entscheiden ...
Die Antragsgegnerin machte im Schiedsverfahren mit der Klagebeantwortung geltend, als nicht berufstätige, alleinerziehende Mutter eines schwerbehinderten minderjährigen Kindes die Kosten für das Schiedsverfahren und für einen zur angemessenen Rechtsverteidigung erforderlichen Fachanwalt nicht aufbringen zu können. Nachdem der Schiedskläger auf die Anfrage des Schiedsgerichts vom 5.3.2014 eine Kostenübernahme abgelehnt hatte, setzte das Schiedsgericht der Schiedsbeklagten mit Beschluss vom 22.4.2014 Frist bis 23.6.2014 zum Nachweis dafür, dass sie beim staatlichen Gericht einen Antrag auf Feststellung der Undurchführbarkeit der Schiedsvereinbarung gestellt habe.
Bereits zuvor hatte die Mutter der Antragsgegnerin als Klägerin ihren Pflichtteilsanspruch gegen die Antragsgegnerin als Beklagte vor dem Zivilgericht (Az. 10 O 14633/11 LG München I, Az. 18 U 376/12 OLG München) im Weg der Stufenklage verfolgt und ihren Auskunftsantrag (Stufe 1) in zweiter Instanz am 10.7.2012 zurückgenommen, nachdem das Berufungsgericht - abweichend vom insoweit verurteilenden Erstgericht - die erhobene Schiedseinrede für durchgreifend erachtet hatte; hinsichtlich der Stufen 2 und 3 der Klage ist das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Zum Aktenzeichen des Berufungsverfahrens beantragte die Antragsgegnerin persönlich mit Schreiben vom 16.6.2014 unter Beifügung einer Kopie des schiedsrichterlichen Beschlusses, die Undurchführbarkeit der Schiedsvereinbarung vor dem zuständigen ordentlichen Gericht festzustellen.
Das Schiedsgericht erhielt eine Kopie des Antrags. Mit Schreiben vom 7.10.2014 teilte die Schiedsbeklagte dem Schiedsgericht mit, dass eine Entscheidung über den gestellten Antrag noch nicht ergangen sei. Die an das staatliche Gericht gerichtete Anfrage des Schiedsgerichts vom 20.10.2014, bis wann mit einer Entscheidung gerechnet werden könne, wurde dahingehend beantwortet, dass die Anfrage nicht verständlich sei und in dem beendeten Berufungsverfahren eine Entscheidung über die Durchführbarkeit einer Schiedsvereinbarung nicht veranlasst sei.
Daraufhin beschloss das Schiedsgericht am 26.11.2014 die Fortsetzung des Verfahrens; die Schiedsbeklagte habe den ihr auferlegten Nachweis nicht erbracht. Zugleich bestimmte das Schiedsgericht Termin zur Güteverhandlung und für den Fall des Nichterscheinens einer Partei unmittelbar anschließenden frühen ersten Termin auf den 27.1.2015. Das persönliche Erscheinen der Parteien wurde zur Aufklärung des Sachverhalts angeordnet. Belehrt wurde dahingehend, dass in analoger Anwendung der §§ 330 bis 331a, 251a ZPO gegen die nicht erschienene Partei auf Antrag des Gegners ein Versäumnisurteil erlassen oder eine Entscheidung nach Aktenlage getroffen werden könne. Dies gelte auch dann, wenn schriftliche Einwendungen gegen den Anspruch vorgetragen worden seien. Diese könnten bei der Entscheidung nur Berücksichtigung finden, wenn sie im Termin mündlich vorgetragen würden.
Im Termin war die Sc...