Leitsatz (amtlich)

1. Für die Entscheidung über einen Antrag auf Fortdauer der Abschiebungshaft zuständig ist das die Abschiebungshaft erstmals anordnende Gericht. Dieses kann das Verfahren durch Beschluss an das Gericht abgeben, in dessen Bezirk die (Abschiebungs-)Haft vollzogen wird. Kommt es zu einer solchen Abgabe nicht, verbleibt es für die Entscheidung über die Haftfortdauer bei der bisherigen Zuständigkeit (ständige Senatsrechtsprechung, zuletzt Beschluss vom 6.9.2007, 34 Wx 112/07).

2. Zum Beschleunigungsgebot in Abschiebungshaftsachen.

 

Normenkette

AufenthG § 106 Abs. 2 S. 2; FreihEntzG § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1, § 12; GG Art. 2 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 04.10.2007; Aktenzeichen 13 T 17677/07)

AG München (Beschluss vom 06.09.2007; Aktenzeichen 871 XIV B 376/07)

 

Tenor

I. Die Beschlüsse des LG München I vom 4.10.2007 sowie des AG München vom 6.9.2007 werden aufgehoben.

II. Die Sache wird zur Behandlung und Entscheidung über den Antrag der Ausländerbehörde vom 5.9.2007 an das AG München zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Die Ausländerbehörde betreibt gegen den Betroffenen, einen mutmaßlichen marokkanischen Staatsangehörigen, die Abschiebung.

Der Betroffene reiste am 5.3.2007 aus Österreich kommend unter Umgehung der Grenzkontrolle und ohne einen für die Einreise erforderlichen gültigen Reisepass oder eine erforderlichen Aufenthaltsgenehmigung in die Bundesrepublik Deutschland ein. Nach seiner Festnahme am gleichen Tag befand er sich bis 13.6.2007 zunächst in Untersuchungshaft und wurde am 14.6.2007 wegen Urkundenfälschung und illegalen Aufenthaltes zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt.

Das AG Rosenheim hat mit Beschluss vom 5.3.2007 Zurückschiebungshaft für die Dauer von drei Monaten, beginnend mit dem Ende der Untersuchungshaft, und die sofortige Wirksamkeit seiner Entscheidung angeordnet.

Am 14.6.2007 stellte der Betroffene aus der Haft heraus einen Asylantrag, der mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 5.7.2007 als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Gleichzeitig wurde der Betroffene zur Ausreise verpflichtet und ihm die Abschiebung angedroht. Sein hiergegen gerichtetes Rechtsmittel wurde mit Beschluss des VG vom 23.7.2007 unanfechtbar abgelehnt.

Die Abschiebung des Betroffenen konnte bisher nicht durchgeführt werden, weil der Betroffene nicht bereit war, einen Antrag auf Ausstellung eines Heimreisescheines auszufüllen. Dieser wurde schließlich von Amts wegen ausgefüllt und im August 2007 an die zentrale Rückführungsstelle zur Weiterleitung an die marokkanische Botschaft übersandt. Eine Antwort steht bisher noch aus.

Auf Antrag der Ausländerbehörde vom 5.9.2007 hat das AG München am 6.9.2007 mit sofortiger Wirksamkeit weitere Abschiebungshaft für die Dauer von drei Monaten im Anschluss an die bestehende Abschiebungshaft angeordnet. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde wurde mit Beschluss des LG vom 4.10.2007 als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die am 15.10.2007 eingelegte sofortige weitere Beschwerde.

II. Das zulässige Rechtsmittel ist begründet. Es führt zur Aufhebung der ergangenen Haftbeschlüsse. Weil der Senat nicht abschließend über den Haftverlängerungsantrag vom 5.9.2007 entscheiden kann, wird die Sache an das AG München zurückverwiesen.

1. Das LG hat ausgeführt:

Die Beschwerde sei unbegründet, da das AG die Abschiebungshaft zu Recht angeordnet habe. Der Betroffene könne abgeschoben werden, weil er vollziehbar ausreisepflichtig sei. Er sei unerlaubt in das Bundesgebiet eingereist, weil er nicht im Besitz eines erforderlichen Passes oder eines Aufenthaltstitels gewesen sei. Der Betroffene sei seit 23.7.2007 vollziehbar zur Ausreise verpflichtet gewesen. Dem stehe nicht der am 14.6.2007 gestellte Asylantrag entgegen, da sich der Betroffene bereits in Haft befunden habe und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Antrag am 5.7.2007 vor Ablauf von vier Wochen als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen habe.

Die Frage, ob die Ausweisung und Abschiebung des Betroffenen zu Recht betrieben werde, sei im Verfahren über die Anordnung der Abschiebungshaft nicht zu prüfen, da insoweit allein die VG berufen seien.

Der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG liege vor, da der Betroffene aufgrund unerlaubter Einreise vollziehbar ausreisepflichtig sei. Darüber hinaus bestehe auch der begründete Verdacht, dass sich der Betroffene der Abschiebung entziehen werde (§ 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG). Der Betroffene sei im Bundesgebiet ohne festen Wohnsitz und ohne tragfähige soziale Bindungen. Er verfüge weder über Ausweisdokumente noch über die zur Ausreise erforderlichen finanziellen Mittel. Auch zeige die Art der Einreise, dass nicht zu erwarten sei, dass sich der Betroffene bis zu seiner Abschiebung der Ausländerbehörde freiwillig zur Verfügung halte werde.

Unzulässigkeitsgründe für die Haft seien nicht ersichtlich, insbesondere habe der Betroffene nicht glaubhaft machen können, dass er sich der Abschiebung nicht ...

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