Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Beseitigung eines Überbaus im WEG-Verband
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einem rechtswidrigen und unentschuldigten Überbau sind die Ansprüche auf Beseitigung des Überbaus und Herausgabe der Grundstücksfläche gemeinschafts-bezogen i.S.d. § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG.
2. Der einzelne Wohnungseigentümer hat einen aus § 21 Abs. 4 WEG folgenden Anspruch darauf, dass die Wohnungseigentümer über die Geltendmachung gemeinschaftsbezogener Ansprüche nach billigem Ermessen entscheiden.
3. Jedenfalls dann, wenn nur die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs billigem Ermessen entspricht (Ermessensreduzierung auf Null), kann die Wohnungseigentümergemeinschaft auf Geltendmachung des Anspruchs verklagt werden.
Normenkette
WoEigG § 10 Abs. 6 S. 3, § 21 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Kempten (Beschluss vom 10.06.2010; Aktenzeichen 51 T 510/09) |
AG Sonthofen (Aktenzeichen 5 URII 7/07) |
Tenor
I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des LG Kempten vom 10.6.2010 wird insoweit zurückgewiesen, als der Feststellungsantrag betroffen ist.
II. Im Übrigen wird der Beschluss des LG Kempten vom 10.6.2010 mit Ausnahme der Geschäftswertfestsetzung aufgehoben.
III. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens an das LG Kempten zurückverwiesen.
IV. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragsteller begehren ggü. der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Feststellung, dass vom Nachbargrundstück her ein rechtswidriger Überbau vorliegt, und beantragen weiter, die Wohnungseigentümergemeinschaft zu verpflichten, die Beseitigung des Überbaus außergerichtlich und gerichtlich durchzusetzen. Wegen des Weiteren Sachverhalts wird auf Nr. I der Gründe der angegriffenen Entscheidung verwiesen.
Das AG hat beide Anträge abgewiesen. Das LG hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
Mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde verfolgen die Antragsteller ihre Ziele weiter. Auf die von den Beteiligten im Verfahren der weiteren Beschwerde eingereichten Schriftsätze wird Bezug genommen.
II.1. Das LG hat sich mit dem Feststellungsantrag nicht näher befasst, insbesondere dessen Zulässigkeit nicht geprüft. Bezüglich des Verpflichtungsantrages auf gerichtliches und außergerichtliches Tätigwerden hat das LG im Wesentlichen ausgeführt, dass ein solcher Anspruch nur bestehen würde, wenn das Vorgehen Aussicht auf Erfolg hätte. Dies sei jedoch nicht der Fall. Der Überbau sei rechtmäßig. Für die Kammer stehe fest, dass sämtliche Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft "dem Überbau/Tausch der Grundstücksflächen" zugestimmt hätten.
2. Hinsichtlich des Feststellungsantrages ist die Beschwerde unbegründet.
Auch wenn sich das LG mit dem Feststellungsantrag nicht ausdrücklich befasst hat, hat der Senat hierüber zu entscheiden, da das AG den Feststellungsantrag abgewiesen hat und der Tenor der landgerichtlichen Entscheidung diese Abweisung bestätigt, so dass das LG, wenn auch ohne Begründung, auch über den Feststellungsantrag entschieden hat.
Die Entscheidung des LG erweist sich im Ergebnis als richtig, da dem Feststellungsantrag das erforderliche Feststellungsinteresse fehlt (§ 256 ZPO analog). Es ist nicht ersichtlich, welches Feststellungsinteresse die Antragsteller gerade ggü. der Antragsgegnerin haben sollten. Das einzige Interesse der Antragsteller kann darin liegen, dass die Antragsgegnerin gegen den nach Meinung der Antragsteller vorliegenden rechtswidrigen Überbau vorgeht. Das ist aber bereits vom Leistungsantrag umfasst. Eine Feststellung der Rechtswidrigkeit des Überbaus ggü. der Antragsgegnerin würde weder die einzelnen Wohnungseigentümer noch die Eigentümerin des Nachbargrundstücks binden.
3. Hinsichtlich des Verpflichtungsantrags ist die Sache an das LG zurückzuverweisen.
Das LG hätte es nicht offen lassen dürfen, ob eine Zustimmung zu einem Überbau oder einem Tausch vorgelegen hat. Das ergibt sich bereits aus den verschiedenen Wirksamkeitsvoraussetzungen. Während die Zustimmung zu einem Überbau formfrei möglich ist, erfordert die Verpflichtung zu einem Grundstückstausch nach § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB eine notarielle Beurkundung. Außerdem sind die Rechtsfolgen verschieden. Während im Falle eines Grundstücktausches die Miteigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft eine Fläche hinzu erwerben und eine andere Fläche verlieren, begründet die Zustimmung zum Überbau lediglich das Recht des Nachbarn, auf dem Grundstück der Wohnungseigentümer ein Bauwerk zu errichten. In seiner Beweiswürdigung kommt das LG immer wieder auf den Tausch zurück, während es zur Einleitung seiner Urteilsbegründung (II 1a) auf eine Zustimmung zum Überbau abstellt. Soweit das LG von einer Zustimmung zum "Vorhaben" spricht, ist vollends unklar, ob nun auf einen Tausch oder auf die Duldung des Überbaus abgestellt wird. Wurde von den Wohnungseigentümern teilweise einem Tausch, teilweise einem Überbau z...