Entscheidungsstichwort (Thema)

Geschäftsunfähigkeit bei Erklärung der Auflassung

 

Leitsatz (amtlich)

Im Grundbuchverfahren obliegt es der antragstellenden Partei einer Auflassung, die durch Tatsachen begründeten ernsthaften Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des anderen Teils so weit auszuräumen, dass wieder vom Erfahrungssatz regelmäßig gegebener Geschäftsfähigkeit ausgegangen werden kann (Anschluss an BayObLG vom 5.4.1989, BReg 2 Z 33/89 = BayObLGZ 1989, 111). Dass im zivilprozessualen Erkenntnisverfahren die Darlegungs- und Beweislast für Geschäftsunfähigkeit denjenigen trifft, der sich auf sie beruft, ändert daran nichts.

 

Normenkette

GBO § 18 Abs. 1, §§ 20, 29 Abs. 1 S. 2; BGB §§ 104-105, 925 Abs. 1; RPflG § 11 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Augsburg

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Beteiligten gegen die Zwischenverfügung des AG Augsburg - Grundbuchamt - vom 16.6.2016 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Veräußerers ... zum Zeitpunkt der Auflassung ausgeräumt werden können durch Vorlage

(1) eines Sachverständigengutachtens oder fachärztlichen Zeugnisses eines Psychiaters oder Neurologen über dessen Geschäftsfähigkeit im Zeitpunkt der Auflassung

(2) eines rechtskräftigen Urteils, das feststellt, dass die Auflassung vom 28.12.2007 wirksam ist.

Hierfür wird Frist gesetzt bis 31.3.2017.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

III. Die Beteiligte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

IV. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Zu notarieller Urkunde vom 28.12.2007 überließ Dr. M. P. (künftig: P.) seiner damaligen Lebensgefährtin, der Beteiligten, unter anderem den gegenständlichen Anteil am Miteigentumsanteil an einem Sondereigentum (Tiefgaragenstellplatz). Zugleich erklärten die Parteien die Auflassung und bewilligten deren Eintragung. Die Umschreibung im Grundbuch ist noch nicht vollzogen.

Am 3.11.2010 reichte P. die Kopie eines vom Chefarzt einer psychosomatischen Klinik - Arzt für Psychiatrie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie - am 25.1.2008 ausgestellten Attests zur Grundakte. Darin wird die ärztliche Einschätzung mitgeteilt, dass P. bereits vor seinem seit 19.12.2007 andauernden stationären Aufenthalt nicht geschäftsfähig gewesen sei.

Am 19.11.2010 beantragte die Beteiligte die Eigentumsumschreibung. Das Grundbuchamt bekundete unter Verweis auf das Attest Zweifel an der Wirksamkeit der Auflassung und gab Gelegenheit, eine Genehmigung der Auflassung durch P. - sofern wieder geschäftsfähig - oder eine gerichtliche Feststellung über dessen Geschäftsfähigkeit zum Auflassungszeitpunkt nachzureichen. Alternativ könne P. auf Auflassung verklagt werden. Die gegen die Zwischenverfügung vom 19.11.2011 eingelegte Beschwerde nahm die Beteiligte vor einer Sachentscheidung zurück.

Am 15.6.2016 beantragte die Beteiligte erneut den Vollzug der Auflassung hinsichtlich des auf Blatt ... eingetragenen Bruchteils am (Mit-)Eigentum. Mit fristsetzender Zwischenverfügung vom 16.6.2016 beanstandete das Grundbuchamt - soweit hier erheblich - wiederum, dass wegen des bei den Grundakten befindlichen ärztlichen Attests Zweifel an der Wirksamkeit der Auflassung bestünden; der Kostenbeschluss des Oberlandesgerichts vom 26.7.2012 in dem gegen P. geführten, in zweiter Instanz nach Zwangsversteigerung des Wohnungseigentums insgesamt für erledigt erklärten Zivilprozess wegen Abgabe einer Willenserklärung enthalte keine Feststellungen zur Geschäftsfähigkeit. Die Beteiligte erhielt Gelegenheit, die Geschäftsfähigkeit des Veräußerers zum Auflassungszeitpunkt nachzuweisen.

Hiergegen wendet sich die anwaltlich vertretene Beteiligte mit der Beschwerde, die - nach Nichtabhilfe - unter Vorlage der erst- und zweitinstanzlichen familiengerichtlichen Entscheidungen im Verfahren über die Aufhebung bzw. Scheidung der Ehe wie folgt begründet wird: P. behaupte zwar Geschäftsunfähigkeit, verweigere aber eine Begutachtung seiner Person, weshalb es zu einer gerichtlichen Klärung nie gekommen sei. Nach der Wahrnehmung der Beteiligten sei P. durchgängig geschäftsfähig gewesen. Jedenfalls könne die schlichte Behauptung des Gegenteils durch den Beweisbelasteten nicht akzeptiert werden.

II. Das Rechtsmittel hat im Ergebnis keinen Erfolg.

1. Gegen die ergangene Zwischenverfügung (§ 18 Abs. 1 GBO) ist die unbeschränkte Beschwerde statthaft (§ 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 1 GBO).

Auf das auch sonst in zulässiger Weise eingelegte (§ 10 Abs. 2 Satz 1 FamFG) Rechtsmittel präzisiert der Senat die Zwischenverfügung, weil die zur Behebung des zutreffend aufgezeigten Hindernisses genannten Mittel missverständlich und nicht ausreichend konkret beschrieben sind und eine sofortige Antragszurückweisung nicht angemessen erscheint (vgl. Wilke in Bauer/von Oefele GBO 3. Aufl. § 18 Rn. 18).

2. Das Grundbuchamt darf eine Auflassung (§ 925 BGB) nur eintragen, wenn deren Wirksamkeit nachgewiesen ist (§§ 20, 29 GBO). Da eine von einem Geschäftsunfähigen erklärte Auflassung nichtig ist (§...

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