Leitsatz (amtlich)

1. Hält sich der Auftraggeber bei der Ausschreibung unterschiedlicher freiberuflicher Leistungen (hier: Beratung in rechtlicher, technischer und wirtschaftlicher Beziehung bei einem ÖPP-Projekt) offen, ob er die zu vergebenden Lose einem Auftragnehmer überträgt, ist für die Berechnung des Schwellenwertes auf die Summe der Einzelleistungen abzustellen.

2. Zur Frage der eindeutig und erschöpfend beschreibbaren freiberuflichen Leistung nach § 2 Abs. 2 Satz 2 VOF

 

Normenkette

VOF §§ 1, 2 Abs. 2 S. 2, § 3; VgV § 3 Abs. 1, 5 S. 1; VOL/A § 1

 

Verfahrensgang

Vergabekammer Nordbayern (Beschluss vom 24.02.2006; Aktenzeichen 21. VK-3194-02/06)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer Nordbayern vom 24.2.2006 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens nach § 118 GWB sowie der notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen zu 2) und 4). Die Beigeladenen zu 1) und 3) tragen ihre notwendigen Aufwendungen selbst.

III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 8.700 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin beabsichtigt, die Sanierung und/oder den Neubau mehrerer Schulgebäude einschließlich des teilweisen Betriebs an einen privaten Generalunternehmer im Rahmen einer Öffentlich-Privaten-Partnerschaft (ÖPP) zu vergeben. Zur Unterstützung bei der Ausarbeitung des wirtschaftlichsten Konzepts und der Erstellung der Vergabeunterlagen sowie Durchführung des Vergabeverfahrens sucht sie externe Berater. Zu diesem Zweck schrieb sie Anfang Januar 2006 europaweit mehrere Beratungsleistungen für das ÖPP-Projekt als Teilnahmewettbewerb mit anschließendem Verhandlungsverfahren nach VOF aus.

Die gewünschte Beratung teilte sie in der Ausschreibung in folgende Teilbereiche (Lose) auf:

Los 1: Wirtschaftliche Beratung

Los 2: Technische Beratung

Los 3: Juristische Beratung

Angebote waren für ein, mehrere oder alle Lose möglich. In Ziff. III.2 unter der Überschrift "Teilnahmebedingungen" listete die Antragsgegnerin die wesentlichen persönlichen, wirtschaftlichen, finanziellen und technischen Anforderungen auf, über die sie von den Bewerbern Angaben verlangen wolle. Als Zuschlagskriterium wurde in Ziff. IV.2.1) der Bekanntmachung das wirtschaftlich günstigste Angebot in Bezug auf die Kriterien, die in den Verdingungs-/Ausschreibungsunterlagen, der Aufforderung zur Angebotsabgabe oder zur Verhandlung bzw. in der Beschreibung zum wettbewerblichen Dialog aufgeführt sind, festgelegt. In Ziffer VI.3 der Bekanntmachung wurde die Zahl der Unternehmen, die zur Angebotsabgabe aufgefordert werden sollen, mit mindestens drei beziffert. Als Frist zur Abgabe der Teilnahmeanträge wurde der 10.2.2006 bestimmt.

Mit Telefax vom 17.1.2006 bekundete die Antragstellerin ihre Absicht, für Los 3 ein Angebot abgeben zu wollen und beantragte die Übersendung der Ausschreibungs- bzw. Verdingungsunterlagen. Zugleich rügte sie Verfahrensfehler bezüglich der von der Antragsgegnerin gewählten Verdingungsordnung, der Verfahrensart, der Zuschlagskriterien und der geforderten Nachweise. Wunschgemäß übersandte die Antragsgegnerin der Antragstellerin am 18.1.2006 den 11 Seiten umfassenden Teilnahmeantrag. Ausweislich des Antrags wurde Interessenten die Möglichkeit eröffnet, sich sowohl für einzelne Lose als auch mit anderen in einer Bewerbergemeinschaft für mehrere oder alle Lose zu bewerben. Gefordert waren in 19 Register aufgeteilte Angaben der Teilnehmer nach §§ 11, 12 und 13 VOF, wobei in der beigefügten Musteraufstellung für die Zusammenstellung der Bewerbungsunterlagen zwischen Ausschluss- und Auswahlkriterien unterschieden wurde und für alle Angaben eine Rubrik "Bewertung" und eine Rubrik "Faktor" vorgesehen war. Unter anderem verlangte die Antragsgegnerin von den Teilnehmern eine Liste der wesentlichen, in den letzten drei Jahren erbrachten vergleichbaren Leistungen für Beraterleistungen bei ÖPP-Projekten und Leistungen nach dem öffentlichen Förderrecht. Den Unterlagen war nicht zu entnehmen, wie viele Punkte für welche Angaben erzielbar waren.

Mit Schreiben vom 20.1.2006 erhob die Antragstellerin weitere Beanstandungen und vertiefte zugleich ihre Einwände vom 17.1.2006. Die Antragsgegnerin wies die Rügen der Antragstellerin vom 17.1.2006 am 20.1.2006 als unbegründet zurück. Auch eine weitere Stellungnahme der Antragstellerin vom 26.1.2006 veranlasste die Antragsgegnerin nicht, ihre Rechtsauffassung zu ändern, wie sie der Antragstellerin mit Schreiben vom 30.1.2006 mitteilte.

Darauf hin stellte die Antragstellerin am 31.1.2006 Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer, mit dem Ziel der Antragsgegnerin zu untersagen, Rechtsberatungsleistungen für das ÖPP-Projekt "Schulen" (Los 3) im Verhandlungsverfahren nach VOF auszuschreiben. Vorsorglich beantragte die Antragstellerin, dem EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens mehrere Fragen zur Auslegung der Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG vom 31.3.2004 in Bezug auf Rechtsberatung...

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