Leitsatz (amtlich)

1. Der Nutzer einer Social-Media-Plattform, die dem Zweck dient, den Nutzern einen "öffentlichen Marktplatz" für den Austausch von Informationen und Meinungen zu verschaffen, hat aus dem mit dem Plattformbetreiber abgeschlossenen Nutzungsvertrag in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB und der bei dessen Auslegung zu berücksichtigenden mittelbaren Drittwirkung seines Grundrechts auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) einen Anspruch darauf, dass eine von ihm auf der Plattform eingestellte zulässige Meinungsäußerung nicht gegen seinen Willen von der Plattform entfernt wird.

2 .Dem Plattformbetreiber bleibt es aber unbenommen, ein (Unter-)Forum zu eröffnen, das nicht dem allgemeinen Informations- und Meinungsaustausch dient, sondern nach seiner ausdrücklichen oder zumindest eindeutig erkennbaren Zweckbestimmung der Erörterung bestimmter Themen vorbehalten ist. Der Nutzer einer derartigen Plattform ist nicht berechtigt, die dort geführte Diskussion eigenmächtig auf Sachverhalte zu erweitern, deren Erörterung die Plattform nach ihrer eindeutig erkennbaren Zweckbestimmung nicht dienen soll. Denn damit verstößt der Nutzer gegen die ihm gemäß § 241 Abs. 2 BGB obliegende Pflicht, auf die erkennbaren Interessen des Plattformbetreibers als seines Vertragspartners Rücksicht zu nehmen.

3. Lässt sich der Beitrag eines Nutzers auf einem Forum mit eindeutig erkennbarer begrenzter Zweckbestimmung aus Sicht eines verständigen und unvoreingenommenen Publikums unter Berücksichtigung des maßgeblichen Kontextes den dort zur Diskussion gestellten Themen nicht zuordnen ("Themaverfehlung"), kann die Löschung des Beitrags auch dann rechtmäßig sein, wenn er als solcher die Grenzen zulässiger Meinungsäußerung nicht überschreitet.

 

Verfahrensgang

LG München II (Aktenzeichen 11 O 4991/18)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts München II vom 18.12.2018, Az.: 11 O 4991/18, wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

4. Der vorgenannte Beschluss des Landgerichts München II vom 18.12.2018 wird in Ziffer 3 dahin abgeändert, dass der Streitwert für das einstweilige Verfügungsverfahren auf 5.000 EUR festgesetzt wird.

 

Gründe

I. Der Antragsteller begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung, durch welche der Antragsgegnerin untersagt werden soll, von ihm auf seinem Account bei der Antragsgegnerin gepostete Beiträge/Inhalte zu löschen, ohne ihm mitzuteilen, welcher konkrete Beitrag/Inhalt gelöscht worden ist, und ohne ihm den Anlass der Löschung - z.B. Verstoß gegen einen konkret zu benennenden Punkt der "Gemeinschaftsstandards" der Antragsgegnerin oder sonstiger Regeln oder Vorschriften - zu nennen.

Das Landgericht München II hat mit Beschluss vom 18.12.2018 den Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Es hält den Antrag bereits für unzulässig, weil es sich in der Sache um ein Feststellungsbegehren handele, welches nicht im Rahmen eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden könne. Außerdem habe der Antragsteller weder das Bestehen eines Verfügungsanspruchs noch das Vorliegen eines Verfügungsgrundes glaubhaft gemacht. Hinsichtlich der näheren Begründung wird auf die Ausführungen in den Gründen des vorgenannten Beschlusses (BI. 15/20 d.A.) Bezug genommen.

Gegen den ihm am 18.12.2018 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 18.12.2018, eingegangen am selben Tage, sofortige Beschwerde eingelegt, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Hinsichtlich der Begründung des Rechtsmittels wird auf den vorgenannten Schriftsatz (BI. 22/29 d.A.) mit den zugehörigen Anlagen verwiesen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 20.12.2018 (BI. 30/33 d.A.), auf dessen Gründe verwiesen wird, der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht München zur Entscheidung vorgelegt.

Der zuständige Einzelrichter hat mit Beschluss vom 28.12.2018 das Beschwerdeverfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung auf den Senat übertragen.

II. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache bleibt das Rechtsmittel aber ohne Erfolg.

1. Der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung ist allerdings zulässig.

a) Seine von Amts wegen zu prüfende internationale Zuständigkeit hat das Landgericht München II mit zutreffender Begründung bejaht.

b) Entgegen der Ansicht des Landgerichts kann der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung nicht als Feststellungsbegehren ausgelegt werden, dessen Verfolgung im Wege der einstweiligen Verfügung unstatthaft ist.

Der Antragsteller will der Antragsgegnerin verbieten lassen, einen von ihm auf seinem Account bei der Antragsgegnerin geposteten Beitrag zu löschen, ohne ihm mitzuteilen, welcher konkrete Beitrag gelöscht worden ist, und ohne eine konkret...

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