Leitsatz (amtlich)

Die Vaterschaft kraft Ehe geht der gerichtlich festgestellten Vaterschaft eines anderen Mannes vor.

 

Normenkette

PStG §§ 48-49; EGBGB Art. 19; BGB §§ 1592, 1600d

 

Verfahrensgang

AG München (Beschluss vom 09.09.2011; Aktenzeichen 721 UR III 2/11)

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Beteiligten zu 3 gegen den Beschluss des AG München vom 9.9.2011 wird zurückgewiesen.

II. Der Antrag des Beteiligten zu 2, ihm Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

III. Der Antrag der Beteiligten zu 1, ihr Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

IV. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Gegenstand des Verfahrens ist die Berichtigung des Geburtseintrags für die 2006 in München geborene J.

Mutter des Kindes ist die Beteiligte zu 1. Sie ist deutsche Staatsangehörige. Am 31.10.2003 hatte sie in London den Beteiligten zu 3 geheiratet, der algerischer Staatsangehöriger ist. Bei der Geburtsanzeige gab sie an, noch nie verheiratet gewesen zu sein; Angaben zum Vater des Kindes machte sie nicht. Das Stadtjugendamt erhob als Beistand des Kindes Klage gegen den Beteiligten zu 2 auf Feststellung der Vaterschaft. Der Klage wurde mit Urteil vom 18.9.2007, rechtskräftig seit 1.12.2007, stattgegeben, dem Geburtseintrag ein entsprechender Randvermerk beigeschrieben. Bei der Geburt ihres Sohnes im Jahr 2009 gab die Beteiligte zu 1 erneut an, nie verheiratet gewesen zu sein. Nach Angaben der Eltern ist der biologische Vater dieses Kindes der Beteiligte zu 3. 2010 legte der Beteiligte zu 3 bei der Meldebehörde die Heiratsurkunde vor; erst dadurch wurde die Eheschließung den Behörden bekannt. Auf Antrag der Beteiligten zu 1 wurde 2011 die Ehe mit dem Beteiligten zu 3 geschieden.

Auf Antrag der Aufsichtsbehörde hat das AG angeordnet, dem Geburtsregistereintrag den Vermerk beizuschreiben: "Als Vater des Kindes gilt der seit dem 31.10.2003 mit der Mutter verheiratete R. M. (Beteiligter zu 3). Das Kind hat noch keinen Familiennamen erhalten." Das Urteil vom 18.9.2007, mit dem die Vaterschaft des Beteiligten zu 2 festgestellt worden sei, beseitige die Vaterschaft kraft Ehe nicht. Die einseitige Bestimmung des Familiennamens des Kindes durch die Beteiligte zu 1 sei nach § 1617 Abs. 1 BGB unwirksam. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 3, der sich die Beteiligte zu 1 angeschlossen hat.

II. Die Beschwerde des Beteiligten zu 3 ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 51 Abs. 1 PStG, § 58 Abs. 1, § 63 Abs. 1, § 64 Abs. 1, Abs. 2 FamFG). Den mit Schriftsatz vom 6.12.2011 erklärten Anschluss der Beteiligten zu 1 an die Beschwerde des Beteiligten zu 3 sieht der Senat als zulässigen Beitritt zum Rechtsmittel des Beteiligten zu 3 an (§ 51 Abs. 1 PStG). Eine Anschlussbeschwerde i.S.d. § 66 FamFG kann sich nur gegen den Hauptbeschwerdeführer richten und ist unzulässig, wenn sie dasselbe Ziel wie dieser verfolgt (Keidel/Sternal, FamFG, 17. Aufl., § 66 Rz. 8b).

Die Beschwerde ist nicht begründet. Das AG hat zu Recht die Berichtigung des Eintrags im Geburtenbuch/Register angeordnet, weil dieser hinsichtlich des Vaters und des Familiennamens unrichtig ist (§§ 47, 48 PStG).

1. a) Für die Frage der Abstammung des Kindes ist deutsches Recht maßgeblich. Nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB kommt hier sowohl das deutsche Recht in Betracht (Art. 19 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 EGBGB) als auch das algerische Recht (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB, Art. 13b ZGB i.d.F. v. 20.6.2005, zitiert nach Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderteil Algerien). Die Anknüpfungsmöglichkeiten nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB (gewöhnlicher Aufenthalt des Kindes) und Art. 19 Abs. 1 Satz 2 und 3 EGBGB (Heimatrecht jedes Elternteils bzw. Ehewirkungsstatut) sind gleichrangig (BGH FamRZ 2006, 1745). An welche Alternative anzuknüpfen ist, bestimmt sich nach dem Günstigkeitsprinzip, d.h. es kommt das Recht zur Anwendung, das für das Wohl des Kindes günstiger ist. Grundsätzlich bietet die Rechtsordnung die günstigste Auswirkung, die dem Kind zuerst zu einem Vater verhilft (BayObLGZ 2002, 4/7f). Das ist die deutsche Rechtsordnung, denn die Zuordnung des Ehemannes der Mutter als rechtlicher Vater (§ 1592 Nr. 1 BGB) hängt allein vom Bestehen der Ehe zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes ab. Nach algerischem Recht wird die Abstammung zwar ebenfalls durch eine gültige Ehe begründet (Art. 40 Abs. 1 Familiengesetzbuch i.d.F. v. 27.2.2005), setzt jedoch zusätzlich voraus, dass die Möglichkeit ehelicher Beziehungen bestand (§ 41 Familiengesetzbuch).

b) Nach § 1592 Nr. 1 BGB ist (rechtlicher) Vater eines Kindes, der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist. Der Beteiligte zu 3 war zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit der Beteiligten zu 1 verheiratet. Er war deshalb bei der Beurkundung in den Geburtseintrag aufzunehmen (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PStG a.F.). Bedingt durch die unwahren Angaben der Beteil...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge