Entscheidungsstichwort (Thema)
Irreführende Werbung durch die Angabe "patent pending"
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Irreführung im Sinne des § 5 UWG kann auch erfolgen, wenn ein Hinweis auf einer Produktverpackung erst nach dem Kauf zur Kenntnis genommen wird, wenn er das zukünftige Kaufverhalten beeinflussen kann.
2. Ein Teil der Verbraucher versteht den Begriff "patent pending" als Hinweis auf eine anhängige Patentanmeldung.
3. Ein relevanter Teil des angesprochenen Verkehrs wird durch den Begriff "patent pending" der Gefahr der Irreführung unterliegen, da er diesem Begriff die Bedeutung beimessen wird, dass für das mit dem Hinweis versehene Produkt ein "anhängiges Patent" im Sinne eines erteilten Patents existiert.
4. Stellt die Abgabe einer Unterlassungserklärung eine Teilerfüllung dar, muss der Kläger den vom Unterlassungsvertrag umfassten Bereich vom Klageantrag ausnehmen.
Normenkette
UWG § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1, 1 Sätze 1, 2 Nr. 3, § 8 Abs. 3 Nr. 1
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 01.09.2016; Aktenzeichen 7 O 7071/15) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 1.9.2016 - 7 O 7071/15 - abgeändert und wie folgt gefasst:
I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu zwei Jahren, die Ordnungshaft zu vollziehen an den Geschäftsführern der Beklagten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für Mund- und Zahnpfiegeprodukte mit Ausnahme des Interdentalrernigers Easypick (gemäß den Abbildungen im Urteil des Landgerichts, Seiten 3 bis 5) mit dem Hinweis "patent pending" zu werben, wenn und soweit für die so beworbenen Produkte kein mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteiltes Patent existiert.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeden Schaden zu ersetzen, der ihr durch die vorstehend unter Nr. I. bezeichneten Handlungen einschließlich der Werbung für den Interdentalreiniger "Easypick" entstanden ist oder noch entstehen wird.
III. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin über den Umfang der vorstehend unter Nr. I bezeichneten Handlungen einschließlich der Werbung für den Interdentalreiniger "Easypick" Auskunft zu erteilen und zwar unter Angabe der so beworbenen Produkte (Bezeichnung, Artikelnummer), der Art der Werbung (auf Produktverpackungen, in Printwerbung, in Rundfunk- und Fernsehwerbung, im Internet), des Umfangs der betriebenen Werbung (im Fall von Produktverpackungen: Anzahl der Verpackungen; im Fall der Internetwerbung: Dauer der Werbung und Anzahl der Zugriffe; im Falle von Printwerbung: Werbemedium, Verbreitungsgebiete, Auflagenhöhe, Kosten der Werbung; im Fall von Rundfunk- oder Fernsehwerbung: Sendezeiten, Sender, Kosten der Werbung).
IV. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Im Übrigen werden die Berufung und die Anschlussberufung zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Verfahrens haben die Klägerin 46 % und die Beklagte 54 % zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung hinsichtlich 1.1 und 1. III durch Sicherheitsleistung in Höhe von EUR40.000,- und hinsichtlich 3. durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in jeweils gleicher Höhe leistet.
und folgenden
BESCHLUSS:
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf EUR 125.000,- festgesetzt.
Gründe
Die Klägerin, die Interdentalreiniger herstellt und vertreibt, nimmt die Beklagte, die für Deutschland zuständige Vertriebsgesellschaft eines schwedischen Unternehmens, das Mundhygieneprodukte herstellt, wegen der Angabe "Patent pending" auf der Verpackung des von der Beklagten seit Anfang November 2014 angebotenen interdentalreinigers "Easy Pick" in Anspruch (Fotos der Verpackung LGU, Seite 8/10 gemäß Anlage B 1).
Mit Schriftsatz vom 5.2.2016 (Bl. 159) gab die Beklagte eine Unterlassungserklärung ab, wonach sie sich gegenüber der Klägerin - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, gleichwohl rechtsverbindlich - verpflichtete, unter Ausschluss des § 348 HGB, es bei Meidung einer angemessenen, von der Klägerin festzusetzenden Vertragsstrafe, die im Streitfall vom zuständigen Gericht auf ihre Angemessenheit hin zu überprüfen ist, künftig zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland Zahnzwischenraumreiniger des Typs Easypick zu vertreiben, und dabei auf den Verpackungen den Hinweis "Patent Pending" zu verwenden, wenn und soweit für dieses Produkt kein mit Wirkung in der Bundesrepublik Deutschland erteiltes Patent existiert und die Beklagte zur Nutzung dieses Patents beziehungsweise dieser Patente berechtigt ist, wie geschehen gemäß folgender Anlage B 1 (wiedergegeben im LGU, Seite 13/15).
Die Unterlassungserklärung wurde von der Klägerin mit...