Leitsatz (amtlich)
1. Verspricht eine Apotheke für jedes zuzahlungsfreie Generikum, das auf Kassenrezept eingereicht wird, einen Bonus von 2,50 EUR, so ist das geeignet, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher durch unangemessenen unsachlichen Einfluss zu beeinträchtigen, und deshalb gem. § 4 Nr. 1 UWG unlauter (Bestätigung von Senat GRUR-RR 2007, 297 ff. - Geld verdienen auf Rezept).
2. Verspricht eine Apotheke für jede Medikamentenbestellung eine Gratiszugabe im Wert von 9,30 EUR, so ist das als Angebot einer unzulässigen Zuwendung gem. § 7 Abs. 1 HWG i.V.m. § 4 Nr. 11 UWG unlauter (Bestätigung von Senat GRUR-RR 2007, 297 ff. - Geld verdienen auf Rezept).
Normenkette
UWG § 4 Nrn. 1, 11; HWG § 7 Abs. 1
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 13.08.2008; Aktenzeichen 1 HK O 8390/07) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG München I vom 13.8.2008 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung aus Ziff. I. des landgerichtlichen Urteils gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 25.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin jeweils vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen kann die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Gründe
A. Die Klägerin betreibt eine Apotheke in München.
Die Beklagte ist eine niederländische Kapitalgesellschaft; sie betreibt eine Versandapotheke und unterhält eine Niederlassung in Deutschland. Sie warb im Jahr 2006 im Raum München mit einem Werbezettel, der u.a. folgenden Text enthielt:
Neu bei [der Beklagten]:
Geld verdienen auf Rezept - mit zuzahlungsfreien Generika
Liebe Kundin, lieber Kunde, im Rahmen eines neuen Arzneimittel-Gesetzes entfällt seit dem 1.7.2006 für viele rezeptpflichtige Generika die gesetzliche Zuzahlung. Somit erhalten Sie diese Medikamente in jeder Apotheke kostenlos. [Die Beklagte] bietet Ihnen mehr!
Für jedes zuzahlungsfreie Generikum, das Sie auf Kassenrezept einreichen, schreiben wir Ihnen einen Sonder-Bonus von 2,50 EUR auf Ihrem persönlichen Treuekonto gut. Sobald Sie 30 EUR angesammelt haben, überweisen wir den Betrag auf Ihr Bankkonto. Sie sparen also nicht nur bei der Zuzahlung, sondern verdienen zudem auf Rezept bares Geld.
Außerdem lobte sie in einem beigefügten anderen Werbezettel für jede Medikamentenbestellung bei ihr als Gratiszugabe das Kosmetikum Venostatin fresh Gel im Wert von 9,30 EUR (unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers) aus.
Die von der Klägerin deswegen erwirkte einstweilige Verfügung wurde vom Senat bestätigt (vgl. GRUR-RR 2007, 297 ff. - Geld verdienen auf Rezept). Die Klägerin forderte die Beklagte erfolglos zur Abgabe einer Abschlusserklärung auf.
In ihrer am 18.5.2007 zugestellten Klage hat die Klägerin die Auffassung vertreten, dass durch das Angebot von Bonuszahlungen der in § 1, § 3 AMPreisV festgelegte Apothekenabgabepreis unterlaufen werde, der auch für den Verkauf von Arzneimitteln durch ausländische Versandapotheken an Kunden in Deutschland gelte und mit Gemeinschaftsrecht vereinbar sei. Die Gratiszugabe verstoße gegen § 7 Abs. 1 HWG. Die Beklagte sei auch zum Ersatz der Kosten für das Abschlussschreiben verpflichtet.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
1. der Beklagten zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
a) Kunden für den Bezug eines zuzahlungsfreien Generikums auf Kassenrezept die Gutschrift eines Sonderbonus von 2,50 EUR auf einem Treuekonto anzubieten und/oder zu gewähren, insbesondere wenn dies unter der Überschrift Geld verdienen auf Rezept - mit zuzahlungsfreien Generika wie nachfolgend wiedergegeben geschieht: [es folgt die Wiedergabe des ersten Werbezettels] und/oder
b) für eine Medikamentenbestellung als Dankeschön eine Gratiszugabe, deren unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers 9,30 EUR oder mehr beträgt, auszuloben, insbesondere wie nachfolgend wiedergegeben: [es folgt die Wiedergabe des zweiten Werbezettels]
2. [Ordnungsmittelandrohung]
3. die Beklagte zu verurteilen, an sie den Betrag von 911,80 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, für den Rechtsstreit seien die Sozialgerichte zuständig und zunächst beantragt, hierüber vorab zu entscheiden. Nachdem das LG und - mit Beschl. v. 16.4.2008 - der Senat den Rechtsweg zu den Zivilgerichten für zulässig erklärt hatten, hat sie beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Arzneimittelpreisverordnung gelte für grenzüberschreitende Sachverhalte wie den streitigen nicht; jedenfalls wäre deren Anwendung gemeinschaftsrechtswidrig. Bei der Gratiszugabe handele es sich um reine Imagewerbung, die von § 7 Abs. 1 HWG nicht erfasst werde
Mit Urt. v. 13.8.2008 - 1 HK O 8390/07 (juris; NJOZ 2008, 413...