Entscheidungsstichwort (Thema)
(Kein) Schadensersatz wegen von dem "Abgasskandal" betroffenen Fahrzeugs
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Haftung der beklagten Herstellerin des Motors aus einem Garantie- oder Auskunftsvertrag, aus der sog. Sachwalterhaftung und nach den Grundsätzen des Rechtsinstituts der Prospekthaftung scheidet bereits aus Rechtsgründen aus.
2. Angesichts des ungewöhnlichen Sachvortrags des hiesigen Klägervertreters, der vom Sachvortrag anderer Klägervertreter in Parallelverfahren deutlich abweicht, kann (ausnahmsweise) hier nicht von einer sekundären Darlegungs- und Beweislast der Beklagten zum Vorsatz ausgegangen werden.
3. Der Zeuge Prof. Dr. M. W. ist gemäß § 384 Nr. 2 ZPO berechtigt, seine Aussage zu verweigern, da er sich durch die Beantwortung der hier entscheidungserheblichen in die Gefahr einer Strafverfolgung begeben würde; bei einem ausschließlich auf diesen Zeugen abstellenende Klagevortrag kann mangels Nachweises nicht vom Vorsatz eines verfassungsmäßigen Vertreters der Beklagten ausgegangen werden.
4. Der Anwendung der Grundsätze der sekundären Darlegungslast bedarf es nicht, wenn die darlegungspflichtige Partei in der Lage ist, die Tatsachen, auf welche sie ihren Anspruch gründet, vorzutragen.
5. Ein Schutzgesetzcharakter von § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV, Art. 5 Abs. 2, 3 Nr. 10 der VO Nr. 715/2007 und von § 38 Abs. 1 BImSchG zu verneinen ist.
Normenkette
BGB §§ 31, 434 Abs. 1, § 823 Abs. 2, §§ 826, 831; BImSchG § 38 Abs. 1; RL 2007/46/EG Art. 18 Abs. 1; RL 2007/46/EG Art. 26 Abs. 1; StGB §§ 14, 263; StVZO § 19; VO Nr. 715/2007/EG Art. 5 Abs. 2715/2007/EG Art. 5 Abs. 2, Nr. 715/2007/EG Art. 5 Abs. 3, Nr. 10715/2007/EG Art. 5 Abs. 3, Nr. 10
Verfahrensgang
LG Deggendorf (Urteil vom 27.06.2019; Aktenzeichen 33 O 741/18) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Deggendorf vom 27.06.2019, Az. 33 O 741/18, wird zurückgewiesen.
II. Im Übrigen (Klageerweiterung in der Berufungsinstanz) wird die Klage abgewiesen.
III. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer I genannte Urteil des Landgerichts Deggendorf ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I. Die Klagepartei begehrt von der Beklagten Schadensersatz Zug um Zug gegen Rückgabe ihres von dem sog. "Abgasskandal" betroffenen Fahrzeugs.
Die Klagepartei erwarb im Juli 2014 von einem Autohaus in S. einen Seat Alhambra Style mit 2.0 l TDI-Motor zu einem Kaufpreis von 30.000,00 EUR brutto. Bei dem Fahrzeug handelt es sich um ein EU-Importfahrzeug. Hinsichtlich der Einzelheiten wird verwiesen auf die Fahrzeugbestellung vom 24.07.2014 (Anlage K 1).
Das streitgegenständliche Fahrzeug verfügt über einen von der Beklagten hergestellten Dieselmotor vom Typ EA 189 und war zum Zeitpunkt des Erwerbs mit einer Software ausgestattet, die den Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert.
Mit Bescheid vom 03.11.2016 gab das Kraftfahrbundesamt das Software-Update für das streitgegenständliche Fahrzeug frei.
Die Klagepartei macht geltend, die Beklagte habe die Klagepartei vorsätzlich und in sittenwidriger Weise geschädigt, wobei der Schaden darin bestehe, dass die Klagepartei das streitgegenständliche Fahrzeug gekauft habe, obwohl sie bei Kenntnis der Sachlage dieses Fahrzeug nicht erworben hätte. Das streitgegenständliche Fahrzeug entspreche nämlich nicht den geltenden Vorschriften hinsichtlich der EURO 5 - Abgasnorm und sei daher aufgrund der tatsächlichen Nichterfüllung der Voraussetzungen weder gemäß § 8 FZVO zulassungsfähig, noch verfüge es über eine wirksame Allgemeine Betriebserlaubnis nach § 19 StVZO. Die Klagepartei sei damit jederzeit dem Risiko ausgesetzt, dass die Betriebserlaubnis entzogen werde. Das Fahrzeug halte nicht die vorgeschriebenen Abgaswerte ein, ferner werde der gemäß § 38 Abs. 1 BImSchG vorgeschriebene Grenzwert beim Stickoxid um das 4,7 fache überschritten.
Die Klagepartei behauptet, die Beklagte habe das streitgegenständliche Fahrzeug nicht ohne Kenntnis des Vorstandes mit der sogenannten Prüfstandentdeckungssoftware versehen. Der damalige Vorstandsvorsitzende, der Zeuge Prof. Dr. M. W., habe aus reiner Gewinnsucht und in Betrugsabsicht einen Wertverlust um mindestens 30% gegenüber dem vorherigen Gebrauchtwagenwert bei den betroffenen Fahrzeugen billigend in Kauf genommen, sobald die Mängel auf dem Markt bekannt worden seien. Die R. B. GmbH sei bereits im Jahre 2004 vom damaligen Forschungs- und Entwicklungsleiter und Mitglied des Vorstandes, dem Zeugen Prof. Dr. W., beauftragt worden, das Motorsteuergerät EDC 17 zu entwickeln, welches später eine illegale Softwarefunktion unter dem Namen "Akustikfunktio...