Entscheidungsstichwort (Thema)
Beratungs- und Hinweispflichten des Versicherungsvertreters im Falle des Abschlusses einer selbständigen Vergütungsvereinbarung mit seinem Kunden (sog. "Nettopolice")
Leitsatz (amtlich)
Auf den Umstand, dass der Kunde bei der Nettopolice auch dann zur Zahlung der (vollen) Vergütung verpflichtet bleibt, wenn der Versicherungsvertrag nach kurzer Zeit beendet wird, muss der Versicherungsvertreter deutlich hinweisen.
Grundsätzlich nicht ausreichend ist der Hinweis, dass der Kunde wegen der rechtlichen Unabhängigkeit der Vergütungsvereinbarung vom Versicherungsvertrag auch bei vorzeitiger Beendigung des Versicherungsvertrages zur Zahlung der Vergütung verpflichtet ist. Denn daraus geht nicht deutlich hervor, dass der Kunde auch bei Beendigung des Versicherungsvertrages nach kurzer zeit zur Zahlung der vollen Vergütung verpflichtet bleibt und damit erheblich schlechter gestellt wird als bei der "Bruttopolice".
*Der Versicherungsvertreter muss den Kunden gem. § 61 VVG in jedem Fall und deutlich auf die Auswirkungen des Abschlusses einer Nettopolice hinweisen; wie diese Aufklärung im Einzelnen zu geschehen hat, hängt von dem erkennbaren Aufklärungsbedürfnis des Kunden und den sonstigen Umständen des Einzelfalls ab (Anschluss an BGH BeckRS 2014, 19132 Rn. 33).
Fehlt es an einem ordnungsgemäßen Hinweis, besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sich der Kunde bei gehöriger Beratung nicht für eine "Nettopolice" entschieden hätte (Anschluss an BGH BeckRS 2014, 13044 Rn. 24; BGH BeckRS 2014, 01033 Rn. 27).
Normenkette
VVG §§ 61-62, 169; ZPO § 522 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Landshut (Urteil vom 09.02.2016; Aktenzeichen 71 O 2352/14) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des LG Landshut vom 09.02.2016, Az. 71 O 2352/14, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis 28.7.2016.
Gründe
1. Die als Anlage K 16 eingereichte Abtretungsvereinbarung vom 21.05.2012 belegt nicht, dass die Forderung aus der Vergütungsvereinbarung vom 17.6.2011 wirksam an die Klägerin abgetreten worden ist. Die Vergütungsvereinbarung vom 17.6.2011 (Anlage K 1) wurde geschlossen zwischen der P. L. C. UG (haftungsbeschränkt) und dem Beklagten. Mit Abtretungsvereinbarung vom 21.5.2012 hat die PLC Energiekonzepte UG die Forderung gegen den Beklagten aus der Vergütungsvereinbarung vom 17.6.2011 abgetreten. Es ist weder vorgetragen noch belegt, dass die Zedentin auch die Inhaberin der Forderung aus der Vereinbarung vom 17.6.2011 war.
2. Das LG hat ohne Rechtsfehler aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme angenommen, dass die P. L. C. UG (haftungsbeschränkt) den Beklagten pflichtwidrig nicht hinreichend über die besonderen Risiken der Nettopolice aufgeklärt hat, bei der (ratenweise) eine Vergütung zu zahlen ist und der Kunde auch bei einer Kündigung des Versicherungsvertrages zur Fortzahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet bleibt.
a) Das LG ist zutreffend davon ausgegangen, dass bei einer so genannten "Nettopolice" ein deutlicher Hinweis auf die von § 169 VVG abweichende Rechtsfolge bei vorzeitiger Vertragskündigung erfolgen muss.
(1) Die vom LG herangezogene Entscheidung des LG Saarbrücken (NJW-RR 2013, 809) steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Dieser hat wiederholt entschieden, dass auch über die Auswirkungen des Abschlusses einer Nettopolice im Fall einer vorzeitigen Kündigung aufzuklären ist. Der Versicherungsvertreter muss insbesondere deutlich auf den Umstand hinweisen, dass der Kunde bei der Nettopolice auch dann zur Zahlung der (vollen) Vergütung verpflichtet beliebt, wenn der vermittelte Versicherungsvertrag nach kurzer Zeit beendet wird (BGH, Urteil vom 25.9.2014 - III ZR 440/13, NJW-RR 2015, 548/550, Tz. 33 m.w.N.). Wie diese Aufklärung im Einzelnen zu geschehen hat, hängt von dem erkennbaren Aufklärungsbedürfnis des Kunden und den sonstigen Umständen des Einzelfalles ab. Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Belehrung, besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sich der Kunde nicht für eine "Nettopolice" entschieden hätte (vgl. BGH, Urteil vom 5.6.2014 - III ZR 557/13, NJW 2014, 2782/2784 Tz. 24 m.w.N.; BGH, Urteil vom 12.12.2013 - III ZR 124/13, BGHZ 199, 216/222f = NJW 2014, 1655, 1657, Tz. 27). Der Kunde kann sich im Falle einer vorzeitigen Kündigung des Versicherungsvertrags bei einer Nettopolice deutlich schlechter stellen als bei einer (dem Schicksalsteilungsgrundsatz unterliegenden) Bruttopolice. Auf den Umstand, dass der Kunde bei der Nettopolice auch dann zur Zahlung der (vollen) Vergütung verpflichtet bleibt, wenn der ve...