Leitsatz (amtlich)
1. Wird Bier, das in einer anderen Stadt als Ulm gebraut wird, mit Etiketten mit der mittelbaren geographischen Herkunftsbezeichnung „MARKE Ulmer Münster” vertrieben, so scheidet ein Unterlassungsanspruch nach § 128 Abs. 1 i.V.m. § 127 MarkenG aus, wenn die Gefahr einer Irreführung über den Brauort und damit die geographische Herkunft des betreffenden Bieres durch hinreichend deutliche entlokalisierende Zusätze auf den Etiketten ausgeräumt wird. Auf eine Interessenabwägung unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten kommt es dann nicht mehr an.
2. Mit der Bezeichnung „MARKE Ulmer Münster” für Bier werden die angesprochenen Verkehrskreise nicht i.S.d. § 3 UWG bezüglich der Existenz eines Markenrechtsschutzes irregeführt, wenn der Vertriebsfirma keine Wortmarke „Ulmer Münster” zusteht.
Normenkette
MarkenG §§ 126-128; UWG § 3
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 7 O 1026/02) |
Tenor
1. Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des LG München I vom 5.2.2002 – 7 O 1026/02 wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Gründe
Die Antragstellerin, eine in Ulm ansässige Brauerei, macht im Wege der einstweiligen Verfügung gegen den Antragsgegner, der einen Getränkehandel in N. betreibt, Unterlassungsansprüche wegen der Benutzung von Etiketten für Bier (Hefe-Weizen) mit der Bezeichnung „MARKE Ulmer Münster” geltend. Das so gekennzeichnete Bier (Hefe-Weizen) wird in M. von der M. AG gebraut und von der U. KG, einer 100 %igen Tochtergesellschaft der M. AG, vertrieben. Das LG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragstellerin.
Die zulässige Berufung der Antragstellerin ist nicht begründet.
1. Der Antragstellerin steht der mit dem Berufungsantrag Nr. II 1 (= erstinstanzlicher Antrag Nr. 1) geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht nach § 128 Abs. 1 i.V.m. § 127 MarkenG zu. Im Streitfall besteht keine Gefahr der Irreführung über die Herkunft des betreffenden Bieres (Hefe-Weizen).
Allerdings handelt es sich bei der Angabe „Ulmer Münster” um eine mittelbare geographische Herkunftsangabe i.S.v. § 126 Abs. 1 MarkenG. Das Ulmer Münster ist das Wahrzeichen der Stadt Ulm; hieraus schließt der Verkehr vorbehaltlich entlokalisierender Zusätze auf die Herkunft des so gekennzeichneten Bieres aus Ulm (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 126 Rz. 6; Fezer, Markenrecht, 3. Aufl., § 126 MarkenG Rz. 7; Gruber in v. Schultz, Markenrecht, Vorbem. zu §§ 126 bis 129 Rz. 9; BGH GRUR 1955, 91 [92 f.] – Mouson [Frankfurter Römer]). Die Bezeichnung „Ulmer Münster” wurde über etliche Jahre hinweg von der Ulmer Münster B. KG für in Ulm gebrautes Bier bis zur Einstellung des Braubetriebs Ende 2001 verwandt, wobei Restbestände solchen Bieres noch Anfang 2002 abverkauft wurden. Bei mittelbaren geographischen Herkunftsangaben sind die Maßstäbe an eine entlokalisierende Wirkung aufklärender Zusätze indes weniger streng als bei unmittelbaren geographischen Herkunftsangaben (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 127 Rz. 4; Fezer, Markenrecht, 3. Aufl., § 127 MarkenG Rz. 18; Gruber in v. Schultz, Markenrecht, § 127 Rz. 4; BGHZ 44, 16 [22] = MDR 1965, 728 – de Paris). Durch die verschiedenen entlokalisierenden Zusätze (vgl. § 127 Abs. 4 Nr. 1 MarkenG) auf den streitgegenständlichen Etiketten wird die Gefahr einer Irreführung über den Brauort und damit die geographische Herkunft des betreffenden Bieres (Hefe-Weizen) ausgeräumt. Auf den streitgegenständlichen Etiketten befinden sich insgesamt sechs zusammengenommen hinreichend deutliche Hinweise darauf, dass das betreffende Bier (Hefe-Weizen) in M. gebraut wird bzw. von der M. AG, M. hergestellt wird, und zwar nicht nur, wie in dem dem Urteil des BGH vom 19.9.2001 (BGH, Urt. v. 19.9.2001, WRP 2001, 1450 – Warsteiner III) zugrunde liegenden, eine unmittelbare geographische Herkunftsangabe betreffenden Fall, auf den Rücketiketten, sondern auch auf den Vorder- und Halsetiketten. Der Zusatz „Gebraut in M.” befindet sich auf allen drei Etiketten in Fettdruck in hinreichend großer Schrifttype. Die Bezeichnung „Ulmer Münster” wird zudem auf den streitgegenständlichen Etiketten entlokalisierend als „MARKE” angeführt (vgl. BGH, Urt. v. 2.7.1998 – I ZR 55/96, MDR 1999, 243 = WRP 1998, 1002 [1005] – Warsteiner II zur entlokalisierenden Wirkung der Bezeichnung „Marke” vor einer geographischen Herkunftsangabe). Die vorstehenden Feststellungen kann der Senat, der zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehört, aus eigener Sachkunde und Anschauung treffen (vgl. BGH WRP 2002, 527 – Elternbriefe; Urt. v. 19.9.2001 – I ZR 54/96, MDR 1999, 244 = WRP 2001, 1450 [1453] – Warsteiner III insb. auch zum maßgeblichen Verbraucherleitbild). Im Hinblick darauf, dass die Gefahr der Irreführung über die geographische Herkunft des Bieres durch die entlokalisierenden Zusätze ausgeräumt wird, kommt es im vorliegenden Fall, anders als in den Fällen, die den Urteilen des BGH v. 2.7.1998 (BGH, Urt. v. 2.7.1998 –...