Verfahrensgang
LG München I (Entscheidung vom 19.02.2009; Aktenzeichen 6 O 24868/07) |
Nachgehend
Tenor
1.
Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts " München I vom 19. Februar 2009 wie folgt geändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 52.014:63 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05. Februar 2008 zu bezahlen. Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
2.
Von den Kosten erster Instanz trägt der Kläger 20%, der Beklagte 80%. Der Beklagte trägt ferner die Kosten zweiter Instanz.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4.
Die Revision wird nicht zugelassen.
5.
Der Streitwert der Berufungsinstanz wird auf 52.014,63 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der XXX GmbH, hinsichtlich derer nach Insolvenzantrag der XXX vom 17. November 2004 am 18. Januar 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die nachmalige Schuldnerin hatte mit dem Beklagten, vertreten durch das staatliche Bauamt XXX Bauverträge deutlich vor dem 17. August 2008 geschlossen. Gegen den Werklohn hat der Beklagte auf Veranlassung des Finanzamtes XXX März 2005 mit Steuerforderungen gegen die Schuldnerin aufgerechnet (Anlagen K 7 ff.).
Der Kläger trägt jetzt noch vor, ein Teil der Bauleistungen Wert von 52.014,53 Euro sei erst ab dem 17. August 2004 erbracht worden (vgl. die Aufstellung auf Seite 14 der Berufungsbegründung vom 10. Juni 2009). Der Kläger ficht insoweit an.
Der Beklagte entgegnet, relevant sei nicht der Zeitpunkt der Leistungserbringung sondern der außerhalb der Krisenzeit abgeschlossene Bauvertrag, die Leistungserbringung sei eine Bedingung im Sinne des § 140 Abs. 3 InsO, so dass auf den Zeitpunkt der Entstehung des bedingten Anspruchs abzustellen sei. Ferner könne die Kenntnis des Finanzamtes XXX über die finanzielle Situation der Schuldnerin nicht dem Bauamt XXX als leistungsempfangender Stelle zugerechnet werden.
Das Landgericht hat die Klage nach Durchführung der Beweisaufnahme zu den Zeitpunkten der Leistungserbringung durch Urteil vom 19. Februar 2009 abgewiesen. Abzustellen sei auf den Abschluss des Bauvertrags und eine Zurechnung der Kenntnis des Finanzamtes FXXX finde nicht statt, daher habe der Beklagte die Leistungen der Schuldnerin nicht in anfechtbarer Weise erlangt.
Zur Ergänzung wird auf den Tatbestand des Ersturteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 08. September 2009 Bezug genommen.
II.
Die Berufung des Klägers ist begründet, da der Beklagte die noch streitgegenständlichen Leistungen der Schuldnerin in nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 Abs. 2 InsO anfechtbarer Weise erlangt hat; die Schuldnerin hat die spätere Aufrechnung des Beklagten durch diese Leistungen in anfechtbarer Zeit erst ermöglicht.
1.
Der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach entschieden, dass eine durch Wertschöpfung geschaffene Aufrechnungslage anfechtbar sein kann (BGHZ 145, 245, 254 f; 147, 28, 35; BGH, Urteil vom 4. Oktober 2001 - IX ZR 207/00, WM 2001, 2208; 2209 f). In seinem Urteil vom 29. November 2007 - IX ZR 30/07 - bestätigt er diese Auffassung und stimmt darin der neueren Literatur zu, dass Rechtshandlungen, die zur Werthaltigkeit der abgetretenen Forderung führen, selbständig anfechtbar sind (Gerhardt, Gedächtnisschrift für Knobbe-Keuk, S. 169, 178 f;; Kirchhof, Festschrift für Uhlenbruck S. 269, 277; HambKomm-InsO/Rogge, 2. Aufl. § 131 Rn. 21; Streit/Jordan DZWIR 2004, 441, 447; Leiner ZInsO 2006, 460, 463; Piekenbrock WM 2007, 141, 150; Bork, Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 15 Rn. 5; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis 7. Aufl. Rn. 6.103 f; ebenso OLG Dresden ZIP 2005, 2167, 2168; a.A. Furche WM 2007, 1305, 1313 f). Anfechtbar sind danach Erfüllungshandlungen wie die Herstellung eines Werkes, die Übergabe der Kaufsache oder die Erbringung von Dienstleistungen.
#Der Bundesgerichtshof führt im Urteil vom 29. November 2007 weiter aus, dass gemäß §§ 130, 131 InsO auch Rechtshandlungen anfechtbar sind, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung ermöglichen; damit sollte nach der Amtlichen Begründung (BT-Drucks. 12/2443, S. 157) die Anfechtung erweitert werden. Zu den anfechtbaren Rechtshandlungen im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO gehören nicht nur Rechtsgeschäfte, sondern auch rechtsgeschäftsähnliche Handlungen und selbst Realakte, denen das Gesetz Rechtswirkungen beimisst (BGH, Urteil vom 12. Februar 2004 - IX ZR 98/03, WM 2004, 666, 667; vom 14. Dezember 2006 - IX ZR 102/03, NZI 2007, 158). Wird durch vom Schuldner veranlasste Maßnahmen die Fälligkeit der Vergütung herbeigeführt oder die Einrede nach § 320 BGB ausgeräumt, so gewinnt die Forder...