Leitsatz (amtlich)

1. Unterschreibt der Entleiher den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag nicht und ist damit die in § 12 Abs. 1 S. 1 AÜG normierte Schriftform nicht erfüllt, ist der Vertrag gem. § 125 S. 1 BGB nichtig. Der Entleiher kann sich jedoch auf den Formmangel nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht berufen, wenn er durch sein eigenes Verhalten die Wahrung der Schriftform treuwidrig verhinderte. davon ist auszugehen, wenn er mündlich die Vertragsannahme erklärt, die Arbeitsleistung entgegennimmt und Tätigkeitsnachweise unterzeichnet, die Vergütung zusagt und die Unterzeichnung des Vertrags ankündigt.

2. Selbst dann, wenn der Vertrag aufgrund der fehlenden Schriftform als nichtig anzusehen wäre, stehen dem Verleiher, der über die Erlaubnis nach § 1 AÜG verfügt, gegen den Entleiher bereicherungsrechtliche Ansprüche nach §§ 812 Abs. 1, S. 1, 818 Abs. 2 BGB in Höhe des Verkehrswerts der Arbeitnehmerüberlassung einschließlich des entgangenen Gewinns zu.

 

Normenkette

AÜG § 12 Abs. 1 S. 1, § 1; BGB § 125 S. 1, §§ 126, 242, 812 Abs. 1, § S. 1, § 818 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 30.06.2010; Aktenzeichen 8 HKO 21399/09)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG München I vom 30.6.2010 - 8 HKO 21399/09, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, falls nicht die Klägerin vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche wegen Arbeitnehmerüberlassung geltend.

Die Klägerin, die eine Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung besitzt (Anlage K 32), stellte für Umbauarbeiten des früheren Hotels "Alte Post" in H. in der Zeit zwischen Januar bis Mai 2009 vier Mitarbeiter zur Verfügung. Bezüglich der Überlassungszeiten der einzelnen Mitarbeiter wird auf die als Anlagen K 37 bis K 40 vorgelegten und unterzeichneten Tätigkeitsnachweise verwiesen. Die Klägerin stellte der Beklagten die Tätigkeiten in Rechnung (vgl. Anlagen K 1 bis K 31). In der Folgezeit bezahlte die Beklagte am 6.7.2009 4.067,13 EUR und am 27.7.2009 weitere 1.901,03 EUR. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Zahlung noch offener Rechnungsbeträge i.H.v. 21.113,73 EUR.

Die Klägerin hatte auf der Grundlage eines am 11.9.2009 erlassenen Mahnbescheids am 21.10.2009 einen Vollstreckungsbescheid i.H.v. 27.081,89 EUR erwirkt, abzgl. des zurückgenommenen Teils von 5.968,16 EUR.

Die Klägerin trägt vor, es sei zwischen ihr und der Beklagten ein wirksamer Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zustande gekommen, da die Parteien, nachdem die Arbeitnehmer zunächst an die auch bei der Baustelle der Beklagten tätigen Firma Thomas K. Heizungsbau Sanitär überlassen worden waren, vereinbart hätten, dass die Arbeitnehmerüberlassung unmittelbar an die Beklagte erfolgen sollte. Dass es in der Folgezeit zu keiner schriftlichen Fixierung des Arbeitnehmerüberlassungsvertrags gekommen sei, sei auf das Verhalten der Beklagten zurückzuführen, die trotz vielfacher Zusagen und Mahnungen der Klägerseite den übermittelten Vertrag nicht unterschrieben zurückgesandt habe. Es sei treuwidrig, wenn die Beklagte sich nunmehr auf die fehlende Schriftform berufe.

Die Klägerin beantragte in erster Instanz, den Vollstreckungsbescheid des AG Coburg, Aktenzeichen: 09-7857620-0-0N vom 21.10.2009 aufrecht zu erhalten.

Die Beklagte beantragte in erster Instanz, den Vollstreckungsbescheid aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trug vor, ein Arbeitnehmerüberlassungsvertrag sei zwischen den Parteien nicht zustande gekommen. Es fehle an der erforderlichen Einigung und insbesondere an der gem. § 12 Abs. 1 S. 1 AÜG notwendigen Schriftform. Zwar habe sie zwei Rechnungen anstelle der Firma K., mit der Arbeitnehmerüberlassungsverträge geschlossen worden waren, gezahlt. Ein Vertrag über die Überlassung von Arbeitnehmern bestehe mit der Klägerin jedoch nicht.

Das LG, das Beweis erhoben hat durch die Vernehmung der Zeugen Christian H., Heidi W. und N., hat dem Antrag der Klägerin in vollem Umfang entsprochen, da es einen Zahlungsanspruch i.H.v. 21.113,89 EUR "aus dem mündlich mit der Beklagten abgeschlossenen Arbeitnehmerüberlassungsverträgen im Zusammenhang mit den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung bejahte". Das Erstgericht war aufgrund der Beweisaufnahme und der Zeugenaussagen davon überzeugt, dass eine Arbeitnehmerüberlassung direkt von der Klägern an die Beklagte erfolgte. Die fehlende Schriftform des Vertrags sah das LG als nicht maßgeblich an, da in einem solchen Fall der Verleiher bei erlaubter Arbeitnehmerüberlassung Wertausgleich für die geleisteten Tätigkeiten nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung in Form der allgemein üblichen Vergütung, d.h. den Verkehrswert der Arbeitnehmerüberlassung einschlie...

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