Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Phoenix-Insolvenz. Anfechtung von Auszahlungen auf Scheingewinne. Anfechtung von Auszahlungen auf Scheingewinne in einem Schneeballsystem

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Rückgewähranspruch des Insolvenzverwalters aus der Schenkungsanfechtung von im Rahmen eines sog. „Schneeballsystems” an den Anleger ausbezahlten Beträge erstreckt sich nicht auf solche Auszahlungen, mit denen dem Anleger seine Einlage ganz oder teilweise zurückgewährt worden ist.

2. Maßgeblich für die Bewertung des Auszahlungsvorgangs sind allein die realen Umstände, die der Auszahlung zugrunde gelegen haben (ausdrückliche oder konkludente Tilgungsbestimmung). Ein nachträglich auf der Basis einer fiktiven Vertragsdurchführung konstruierter Kontoverlauf ist hierfür ohne Bedeutung.

 

Normenkette

InsO § 134

 

Verfahrensgang

BGH (Entscheidung vom 22.04.2010; Aktenzeichen IX ZR 225/09)

LG München II (Urteil vom 22.06.2009; Aktenzeichen 11 BO 6753/08)

BVerwG (Entscheidung vom 24.04.2002; Aktenzeichen 6 C 2/02)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts München II vom 22. Juni 2009 wie folgt abgeändert:

  1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 13.514,42 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01. Juli 2005 zu zahlen.
  2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts München II vom 22. Juni 2009 wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 25 % und der Beklagte 75 %.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

VI. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 17.839,26 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

I. Der Kläger ist Verwalter in dem auf Antrag vom 11. März 2005 am 01. Juli 2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der P -GmbH (nachfolgend: Schuldnerin). Er fordert vom Beklagten nach Insolvenzanfechtung die Rückzahlung einer von der Schuldnerin erhaltenen Auszahlung.

Die Schuldnerin war seit 1977 als Finanzdienstleisterin tätig. Sie besaß die Erlaubnis, Finanzkommissionsgeschäfte und Finanzportfolioverwaltungsleistungen zu erbringen. Ab 1992 bot sie unter der Produktbezeichnung „P M A” (nachfolgend: PMA) ihren Kunden die Möglichkeit an, am Erfolg oder Misserfolg von Optionsgeschäften teilzunehmen. Gemäß Produktbeschreibung sollte die Schuldnerin im eigenen Namen auf Rechnung der Anlegergemeinschaft Handel mit Optionen und Futures betreiben und das dabei erzielte Ergebnis anteilig auf die Anleger verteilen. Die Schuldnerin warb mit jährlich zu erzielenden Renditen zwischen 8,7 % und 14,07 %. Tatsächlich erzielte sie mit dem PMA spätestens seit 1993/1994 hohe Verluste. Den Anlegern offenbarte sie dies nicht. Vielmehr sandte sie ihren Anlegern geschönte monatliche Kontostandsmitteilungen zu, in denen frei erfundene Gewinne ausgewiesen waren. Zu diesem Zweck täuschte die Schuldnerin erhebliche Vermögenswerte und Handelsumsätze auf einem in Wahrheit nicht existierenden Konto Nr. M… beim Brokerhaus M vor. Die Gelder der Anleger legte die Schuldnerin nur zu einem geringen Teil und später überhaupt nicht mehr in Termingeschäften an. Die Einlagen von Neukunden verwendete die Schuldnerin in der Art eines „Schneeballsystems” für Aus- und Rückzahlungen an Altkunden.

Der Beklagte erklärte am 29. Mai 1995 seinen Beitritt zum PMA mit einem Betrag von 5.000 DM zzgl. Agio (Anlage K 12). Seine Beteiligung stockte er durch Einzahlungen von 44.000 DM am 01.09.1995 und 18.000 DM am 04.10.1995, jeweils abzüglich Agio, auf umgerechnet 32.321,80 EUR auf. Am 30.11.2001 ließ sich der Beklagte einen Betrag von 43.184,95 EUR ausbezahlen.

Der Insolvenzverwalter hat zunächst vor dem Landgericht München II im Verfahren 9B O 3477/08 – Az. 5 U 2318/09 des Oberlandesgerichts München – den Auszahlungsbetrag von 43.184,95 EUR saldiert mit den geleisteten Einzahlungen von 32.321,80 EUR im Wege der Schenkungsanfechtung vom Beklagten zurückgefordert und über den Betrag von 10.863,15 EUR ein rechtskräftiges Urteil erstritten.

Nun fordert der Kläger, gestützt auf die Darstellung über die „Verteilung des realen Handelsergebnisses und Neuberechnung der Gebühren für M -A -Konten” des Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters L. vom 09. März 2007 (Anlage K 10), vom Beklagten Rückzahlung eines weiteren Betrages in Höhe von 17.839,26 EUR zuzüglich Zinsen von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 01. Juli 2005. Der Kläger hat nach seiner Darstellung die real erlittenen Handelsverluste der Schuldnerin im PMA-Segment auf die Einlagen der Anleger umgelegt, auf der Grundlage des so ermittelten „bereinigten” Kontostandes die in den Anlegerverträgen vorgesehenen monatlichen Verwaltungsgebühren berechnet und auch diese den Anlegerkonten belastet. Das Ergebnis seiner Berechnung (Anlage K 11) bezeichnet der Kläger als den „realen” Kontostand des Anlegerkontos. „Real” habe das Konto des Beklagten zum Auszahlungsstichtag lediglich ein Guthaben von 14.482,54 EUR aufgewiesen. ...

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