Leitsatz (amtlich)

1. Erklärt der Schuldner unzweideutig und endgültig, dass er seiner Leistungspflicht nicht nachkommen werde, indem er bereits das Zustandekommen eines Kaufvertrags leugnet, so stehen dem Gläubiger die Ansprüche aus Art. 75, 76 CISG auch dann zu, wenn er seinerseits die Aufhebung des Vertrags nicht erklärt hat.

Art. 75, 76 CISG sind insoweit einer Auslegung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zugänglich.

2. Das Gebot der Wahrung und Förderung des guten Glaubens im internationalen Handel nach Art. 7 Abs. 1 CISG öffnet die dem Grunde nach "autonom" vorzunehmende Auslegung des Abkommens für die Berücksichtigung von hergebrachten und gefestigten Grundsätzen der nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten, die als Konkretisierung des Gebots von Treu und Glauben geschaffen wurden.

Dies gilt insb. für das Verbot des venire contra factum proprium.

3. Unter Heranziehung des Gedankens des Art. 55 CISG reicht es für das Bestehen eines Marktpreises i.S.d. Art. 76 Abs. 1 CISG aus, wenn sich aufgrund regelmäßiger Geschäftsabschlüsse für Ware gleicher Art (hier: Möbelleder von Rinderhäuten) an einem bestimmten Handelsplatz (hier: Italien) ein laufender Preis gebildet hat.

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 30.03.2004; Aktenzeichen 13 HKO 7110/03)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des LG München I vom 30.3.2004 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Bezahlung von geliefertem Möbelleder. Im Gegenzug rechnet die Beklagte mit einem Schadensersatzanspruch wegen Vertragsverletzung (Nichtlieferung weiteren Möbelleders) auf.

Die Klägerin betreibt in Italien eine Ledergerberei. Die Beklagte stellt in Deutschland Polstermöbel her. Im Sommer 2000 bestellte die Beklagte bei der Klägerin Möbelleder. Die Klägerin erstellte für diese Lieferungen Rechnungen vom 9.6.2000 über 19.680,67 Euro sowie vom 23.6.2000 über 39.797,73 Euro. Auf den Gesamtbetrag von 59.478,40 Euro erbrachte die Beklagte nur eine Teilzahlung, die die Klägerin mit 19.962,98 Euro, die Beklagte mit 19.994,30 Euro beziffert.

Mit ihrer Zahlungsklage verlangt die Klägerin einen Restkaufpreis von 39.515,42 Euro von der Beklagten.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Forderung der Klägerin durch Aufrechnung mit einer gegenläufigen Schadensersatzforderung i.H.v. 37.105 Euro = (72.571 DM) und darüber hinaus infolge berechtigten Abzugs von 3 % Skonto und 1 % Bonus in voller Höhe erloschen sei. Die Parteien hätten am 16.2.2000 einen Vertrag über die Lieferung von jeweils 10.000 qm Häuten mit der Bezeichnung "Savanne Madras" zum Preis von 24 DM/pro Quadratmeter und "Delta Pony" zum Preis von 26 DM/pro Quadratmeter geschlossen. Hiervon seien 7.050 qm "Delta Pony" sowie 2.462 qm "Savanne Madras" vertragswidrig nicht geliefert worden. Die Beklagte habe sich daher anderweitig eindecken müssen. Sie sei berechtigt, den Verlust, der sich aus der Differenz der vereinbarten Preise mit den Marktpreisen im Sommer 2000 ergebe, als Schadensersatz geltend zu machen. Im Sommer 2000 habe der Marktpreis für den Artikel "Madras" 32 DM/pro Quadratmeter und der Marktpreis für den Artikel "Pony" 33,50 DM betragen. Hieraus resultiere die Gegenforderung.

Die Klägerin hält dem entgegen, dass sie sich ggü. der Beklagten nicht zur Lieferung der vorbezeichneten Möbelleder verpflichtet habe. Die Auftragsbestätigung des italienischen Maklers, der Firma B. s. r. l., entfalte keine Wirkungen ggü. der Klägerin. Davon abgesehen sei der Klägerin aufgrund der BSE-Krise im Sommer 2000 eine vollständige Vertragserfüllung aufgrund höherer Gewalt nicht möglich gewesen.

Das LG hat nach Einvernahme der Zeugen B., H. und V. zur Frage eines Vertragsschlusses und einer etwaigen Stornierung hinsichtlich des der Gegenforderung zugrunde liegenden Vertrags sowie Erholung eines Gutachtens des Sachverständigen F. zur Frage der Preise für Möbelleder in Italien im Sommer 2000 die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe bezüglich ihrer Aufrechnungsforderung einen Vertragsschluss durch die einvernommenen Zeugen nachgewiesen, demgegenüber habe die Klägerin eine Stornierung des Auftrags nicht beweisen können. Nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 13.7.2000 (Anlage AMC 10) mitgeteilt habe, dass weitere Lieferungen nicht erfolgten, da die Klägerin insoweit keinen Vertrag geschlossen habe, sei die Beklagte zum Schadensersatz nach Art. 76 des hier anwendbaren CISG berechtigt. Die Beklagte sei auch befugt, ihren Schaden abstrakt zu berechnen, da Deckungskäufe nicht konkret dem nicht erfüllten Vertrag mit der Klägerin zuordenbar seien. Die von der Beklagten geltend gemachten Mehrkosten von 8 DM pro Quadratmeter ("Madras") und 7,50 ...

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