Entscheidungsstichwort (Thema)
Architektenvertrag: Verjährung von Schadensersatzansprüchen im Übergangsfall; Verjährungsbeginn bei Unmöglichkeit der Vertragserfüllung; Sekundärhaftung
Leitsatz (amtlich)
1. Schadensersatzansprüche gegen den Architekten gem. § 635 BGB a.F. verjähren nach § 634a BGB, sofern diese Vorschrift gem. Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB anwendbar ist. Die Verjährung beginnt dabei nicht erst, wenn die Abnahme erfolgt ist, sondern bereits dann, wenn Umstände gegeben sind, nach denen eine Erfüllung des Vertrages nicht mehr in Betracht kommt (Anschluss BGH, 24.2.2011 - VII ZR 61/10, BauR 2011, 1032).
2. Nach Ablauf der Gewährleistungsfristen für Handwerkerleistungen kann der Architekt die im Rahmen der Leistungsphase 9 zu erbringende Prüfung auf Mangelfreiheit des Gewerks nicht mehr erbringen, so dass eine Erfüllung des Architektenvertrages wegen Unmöglichkeit nicht mehr in Betracht kommt, mit der Folge, dass zu diesem Zeitpunkt die Verjährung hinsichtlich Schadensersatzansprüche gegen den Architekten zu laufen beginnt.
3. Der umfassend beauftragte Architekt hat dem Bauherrn noch nach der Beendigung seiner eigentlichen Tätigkeit bei der Behebung von Baumängeln zur Seite zu stehen. Als Sachwalter des Bauherrn schuldet er die unverzügliche und umfassende Aufklärung der Ursachen sichtbar gewordener Baumängel sowie die sachkundige Unterrichtung des Bauherrn vom Ergebnis der Untersuchung und von der sich daraus ergebenden Rechtslage. Verletzt der Architekt diese Pflichten, kommt es zur sog. Sekundärhaftung des Architekten mit der Folge, dass der Architekt sich nicht auf die Einrede der Verjährung bezüglich seiner Pflichtverletzung berufen kann.
Normenkette
BGB §§ 203, 634a; BGB a.F. §§ 635, 638 Abs. 1 S. 1; BGBEG Art. 229 § 6 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Landshut (Urteil vom 29.09.2011; Aktenzeichen 73 O 2887/10) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des LG Landshut vom 29.9.2011 (Az. 73 O 2887/10) aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz einschließlich der Kosten der Streithelfer des Beklagten.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte oder deren Streithelfer vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 43.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt vom Beklagten Schadenersatz wegen mangelhaft erbrachter Architektenleistungen.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Anwesens H. 6, L., welches sie umbauen wollte. Deshalb beauftragte sie den Beklagten mündlich, wohl 1997, mit der Erbringung von Architektenleistungen der Leistungsphasen 1 - 9 gem. § 15 HOAI a.F. Im Rahmen dieser Beauftragung plante der Beklagte u.a. die streitgegenständlichen Fenster und Fenstertüren und überwachte die Ausführung dieses Gewerks. Die Fenster und Fenstertüren haben einen Holzrahmen und sind zum Teil außenliegend vor der Gebäudefassade eingebaut. Die vom Streithelfer zu 1) hierfür durchgeführten Schreinerarbeiten wurden am 19.6.1997 von der Klägerin abgenommen (B 1). In der Folgezeit wurden auch die Gewerke der anderen Handwerker abgenommen. Als letztes Gewerk wurden die Fliesenlegerarbeiten am 30.1.1998 abgenommen (B 9). Eine ausdrückliche Abnahme der Architektenleistungen fand nicht statt. Nachdem es zwischen den Parteien Unstimmigkeiten hinsichtlich der Architektenleistungen gab, fand am 10.12.1998 eine Besprechung zwischen der Klägerin und dem Beklagten statt. Strittig zwischen den Parteien ist, wer an dieser Besprechung noch teilgenommen hat. Bei dieser Besprechung wurde zwischen den Parteien jedenfalls Einigkeit erzielt, dass die Klägerin an den Beklagten ein Resthonorar von 3.000 EUR bezahlt. Am 14.12.2008 stellte der Beklagte der Klägerin daraufhin eine Schlussrechnung (B 2), die von der Klägerin am 12.1.1999 bezahlt wurde. Zwischen den Parteien ist strittig, ob bei dieser Besprechung auch eine Einigkeit dahingehend erzielt wurde, dass der Beklagte keine weiteren Architektenleistungen, insbesondere solche der Leistungsphasen 9, zu erbringen hat.
Nach der Besprechung vom 10.12.1998 erbrachte der Beklagte keine weiteren Architektenleistungen, insbesondere auch keine der Leistungsphase 9. Eine Schlussbegehung mit den einzelnen Handwerkern vor Ablauf der jeweiligen Gewährleistungsfrist fand, wie die Klägerin wusste, nicht statt. Die Klägerin forderte den Beklagten zu keinem Zeitpunkt nach der Besprechung vom 10.12.1998 auf, weitere Architektenleistungen zu erbringen.
Die streitgegenständlichen Fenster und Fenstertüren sind mit zahlreichen Mängeln behaftet. Gravierende Schäden sind bereits eingetreten. Eine Mängelbeseitigung hat bisher nicht stattgefunden.
Im Jahr 2003 stellte die Klägerin erste Schäden an den Fenstern fest, ohne hierüber aber den Beklagten zu inf...