Entscheidungsstichwort (Thema)

volle Haftung einer AG für unrichtige Darstellungen und Mitteilungen ihres Vorstands ggü. Erwerbern ihrer Aktien außerhalb einer Erstausgabe oder Börsenzulassung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine AG kann sich ihren Aktionären gegenüber, die sie wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung auf Grund falscher unrichtiger Darstellung ihrer Verhältnisse und Mitteilung unzutreffender kursbeeinflussender Tatsachen durch ein Mitglied ihres Vorstandes auf Ersatz der Anschaffungskosten ihrer Aktien Zug um Zug gegen Rückgabe dieser Aktien in Anspruch nehmen, auch dann nicht auf das Verbot der Einlagenrückgewähr nach § 57 Abs. 1 AktG und das Verbot des Erwerbs eigener Aktien nach § 71 ff. AktG berufen, wenn die Aktionäre ihre Aktien ausserhalb einer Erstausgabe oder Börsenzulassung erworben haben.

 

Normenkette

AktG § 57 Abs. 1, § § 71 ff.; BGB §§ 31, 826

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 02.09.2004; Aktenzeichen 5 HKO 14438/04)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 04.06.2007; Aktenzeichen II ZR 147/05)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG München I vom 2.9.2004 aufgehoben, die Beklagte verurteilt, an den Kläger 12.834,54 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2.2.2004 Zug um Zug gegen Übertragung von 260 Stück Aktien der C. AG zu zahlen, und im Übrigen die Klage abgewiesen.

Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte mit Ausnahme der Kosten, die durch Anrufung des LG Frankfurt/M. entstanden sind; diese trägt der Kläger.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 22.500 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb von Aktien der Beklagten über die Börse.

Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in U. Sie beschäftigt sich mit der Entwicklung, Produktion und Vermarktung von Software und Hardwareprodukten für Telematik und Telekommunikationsdiensten sowie der Erbringung damit zusammenhängender Dienst- und Serviceleistungen. Ihre Aktien wurden nach Zulassung zum geregelten Markt erstmals am 26.11.19.. im Neuen Markt gehandelt. Ihr damaliger Vorstand und Mehrheitsaktionär Sch., behauptete bereits zur Börseneinführung im Börsenprospekt, die Beklagte stehe in umfangreichen und lukrativen Geschäftsbeziehungen zu einem Unternehmen VT Electronics Ltd. in Hong Kong. 2000 und 2001 teilte Sch. ständig steigende Umsätze der Beklagten mit diesem Unternehmen mit. Für das Geschäftsjahr 2000 gab die Beklagte einen Konzernumsatz von 85,80 Mio. DM und einen Jahresgewinn von 9,1 Mio. DM an. Für das dritte Quartal 2001 meldete die Beklagte eine Umsatzsteigerung auf 27,9 Mio. DM. Zudem verwies Sch. hinsichtlich der von ihm dargestellten Umsätze und Erträge auf die von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft K. testierten Jahresabschlüsse. Nach deren Mandatsniederlegung am 20.2.2002 und einer anschließenden Sonderprüfung erwiesen sich all diese Angaben zur wirtschaftlichen Situation der Beklagten als falsch. Damals stellte sich nach einer Sonderprüfung heraus, dass die VT Electronics Ltd. in Hong Kong nicht existierte, die Umsätze mit diesem Unternehmen fingiert waren und nur 1,4 % des für 2001 ausgewiesenen Umsatzes von 93,6 Mio. EUR nachgewiesen werden konnten. Die Eheleute Sch. sind u.a. wegen Kursbetruges zwischenzeitlich vom LG München I rechtskräftig verurteilt worden, Sch. dabei zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren. Der Börsenkurs der Aktien der Beklagten ist seither völlig verfallen und bewegt sich deutlich unter 1 EUR.

Der Kläger trägt vor, er habe auf Grund dieser falschen Angaben Aktien der Beklagten über die Börse erworben, u.a. am 9.10.2000 60 Stück zum Preis von 5.898,64 DM, am 9.1.2001 100 Stück und am 12.4.2001 150 Stück zum Preis von jeweils 5.900,99 DM sowie am 16. und 21.2.2001 über seine Eltern jeweils 50 Stück zu Preisen von 4.225,99 DM und 3.244,72 DM (Anl. A 1.4-8). 150 Stück dieser Aktien habe er am 11.4.2002 für insgesamt 35,10 EUR veräußern können. Nach Rücknahme in Höhe des letztgenannten Betrages in der mündlichen Verhandlung vom 13.4.2005 und einem geringfügigen Additionsfehler zu seinem Nachteil verlangt der Kläger jetzt von der Beklagten Ersatz für den Erwerb der Aktien der Beklagten i.H.v. 12.834,54 EUR, hilfsweise Zug um Zug gegen Rückgabe der entsprechenden Aktien.

Die Beklagte meint dagegen, Sch. habe weder vorsätzlich oder sittenwidrig gehandelt, noch seien dessen Erklärungen kausal für den streitgegenständlichen Aktienerwerb gewesen. Zudem müssten Ersatzansprüche des Klägers an dem Verbot der Einlagenrückgewähr nach § 57 Abs. 1 S. 1 AktG scheitern.

Das LG München I hat die Klage am 2.9.2004 abgewiesen. Es hat wie schon vorher der 18. Senat dieses OLG (OLG München v. 26.7.1994 - 18 U 3910/93, OLGReport München 1994, 253) - die Rev...

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