Entscheidungsstichwort (Thema)
Sittenwidrige Einheitspreise
Verfahrensgang
LG Deggendorf (Urteil vom 05.08.2008; Aktenzeichen 3 O 100/04) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des LG Deggendorf vom 5.8.2008 (Az. 3 O 100/04) wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Der Streithelfer der Beklagten trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte und ihr Streithelfer können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 963.650,72 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten restlichen Werklohn aus einem VOB/B-Einheitspreisvertrag für das Bauvorhaben "Erschließung des Gewerbegebietes M.-West, LOS 2, Gewerk: Erdarbeiten", beschränkt auf die Leistungsverzeichnisposition LV 1.5.0012 (zukünftig: 1.5.12) nebst Verzugszinsen. Daneben begehrt die Klägerin Zinsansprüche hinsichtlich dieser Position aus der fünften Abschlagsrechnung bis zur Fälligkeit der Schlussrechnung sowie Zinsen hieraus. Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 1 ZPO auf das Endurteil des LG Deggendorf vom 5.8.2008 Bezug genommen.
In diesem Urteil wurde der klägerische Anspruch weitgehend zugesprochen und die Beklagte zur Zahlung von 963.650,72 EUR nebst Zinsen hieraus verurteilt sowie zur Bezahlung ausgerechneter Verzugszinsen aus der fünften Abschlagsrechnung i.H.v. 130.062,15 EUR nebst Zinsen hieraus.
Die Beklagte und ihr Streithelfer wenden sich gegen die Verurteilung und begehren die Aufhebung des Urteils und Klageabweisung. Fehlerhaft habe das Erstgericht den klägerischen Anspruch auf § 2 Nr. 5 VOB/B gestützt, richtiger Weise sei § 2 Nr. 6 VOB/B anzuwenden. Somit sei als Bezugsposition für eine Preisbildung gem. § 2 Nr. 5 VOB/B nicht auf die Position 1.5.12, sondern auf die Position 2.4.11 oder 2.4.20 abzustellen, auch wenn sie einen anderen Bauabschnitt beträfen. Zudem sei eindeutig festzustellen, dass die im Angebot der Klägerin vom 4.9.2001 zum LOS 2 (BA 1 und BA 2) enthaltenen Einheitspreise bewusste Abpreisungen enthalten. Es läge eine auf- und abpreisende Mischkalkulation vor. Kostenanteile anderer Positionen seien sowohl in die Baustelleneinrichtung als auch in die Position 1.5.12 eingepreist worden. Es handle sich also bei der Position 1.5.12 um einen Spekulationspreis. Bei der erforderlichen Fortschreibung gem. § 2 Nr. 6 VOB/B sei deshalb eine Preisanpassung durchzuführen. Im Einklang mit den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr W. sei deshalb auf den vom Sachverständigen errechneten auskömmlichen Preis für die Position 1.5.12 i.H.v. 1,73 DM pro Quadratmeter abzustellen.
Bei der von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten Urkalkulation zur Position 1.5.12 (K 154) handle es sich nicht um die tatsächliche Urkalkulation. Dies ergebe sich schon daraus, dass Gerätekosten in Euro kalkuliert seien, obwohl die Baugeräteliste 2001, auf die sich die Klägerin berufe, erst nach dem 31.8.2001, dem Tag, an dem die Urkalkulation erstellt worden sein soll, erschienen sei.
Die Beklagte meint, der von der Klägerin angegebene Positionspreis von 12,45 DM pro Quadratmeter sei sittenwidrig gem. § 138 Abs. 1 BGB nach der Rechtsprechung des BGH. Die Klägerin habe deshalb darauf keinen Anspruch, sondern nur auf einen angemessenen üblichen Preis, nämlich 1,73 DM pro Quadratmeter. Eine Preisanpassung habe zudem gem. §§ 242, 315 BGB zu erfolgen.
Die Beklagte und ihr Streithelfer beantragen:
Das Urteil des LG Deggendorf vom 5.8.2008 (Az. 3 O 100/04) wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Berufung.
Sie verteidigt das Urteil und führt aus, dass richtige Anspruchsgrundlage nicht § 2 Nr. 6 VOB/B, sondern § 2 Nr. 3 VOB/B sei. Gehe man jedoch von § 2 Nr. 5 VOB/B als Anspruchsgrundlage aus, sei die Position 1.5.12 die Basisposition zur Preisermittlung und nicht die von der Beklagten angeführten anderen Positionen. Zudem bestreitet die Klägerin, dass in der Position 1.5.12 Kostenanteile anderer Positionen hineingerechnet worden seien. Die dem Senat vorgelegte Urkalkulation zu der Position 1.5.12 vom 31.8.2001 (K 154) und auch die zu den übrigen Positionen des Bauabschnitts 1 (K 162) sei die Reinschrift der vom Zeugen K. erstellten Urkalkulation. Zwar sei einzuräumen, dass in die Baustelleneinrichtung Kostenanteile anderer Positionen eingerechnet wurden, nicht jedoch in die Position 1.5.12. Die Gerätekosten seien zudem bereits in Euro kalkuliert worden, da die Baugeräteliste 2001 im Zeitpunkt der Kalkulation der Klägerin vorgelegen habe. Zutreffend habe der Sachverständige Prof. Dr. W., ausgehend von der Position 1.5.12 und einem Abschlag von 0,07 DM pro Quadratmeter berücksichtigend, einen Preis für die nachträglich angeordneten Boden...