Leitsatz (amtlich)

1. Zum Nachweis wettbewerblicher Eigenart ist substantiiert darzutun, dass sich ein Produkt von den üblichen Produktformen so abgesetzt hat, dass allein seine Form und Ausgestaltung einen Herkunftshinweis auf den Herstellerbetrieb oder auf Besonderheiten der Erzeugnisse geben konnte, und dass sich dies bis zum Kollisionszeitpunkt erhalten hat.

2. Keine wettbewerbliche Eigenart ist gegeben, wenn sich ein Produkt im Rahmen des bekannten Formenschatzes bewegt und seine Merkmale nur einen Typus bzw. eine Gattung kennzeichnen. Sehen die Verbraucher ein Produkt deshalb als zu einem gattungsmäßigen Typ gehörend an, unterscheiden sie – anders als bei „Les-Paul-Gitarren” (BGH, Urt. v. 5.3.1998 – I ZR 13/96, BGHZ 138, 143 = WRP 1998, 732 = GRUR 1998, 830 = NJW 1998, 3773) – nicht zwischen Original und Kopie.

 

Normenkette

UWG § 1

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 05.12.2002; Aktenzeichen 7 O 9560/99)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG München I vom 5.12.2002 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um den Vertrieb von Damenhandtaschen durch die Beklagte.

Die Klägerin vertreibt Produkte der Luxusklasse mit hohem Prestigewert (Anlage K 1). Dazu gehören Damenhandtaschen, deren Preis über 1.000 Euro liegt.

Die Beklagte bietet unter anderem in ihrem Geschäft in München, Weinstraße 5, Damenhandtaschen an. Am 10.4.1999 veräußerte sie dort das im Klageantrag dargestellte und als Anlage K 5 vorgelegte Exemplar zu einem Preis von 875 DM (Anlage K 4).

Die Klägerin sieht darin ein Plagiat ihrer „Kelly-Bag” und hat vor dem LG beantragt,

I. die Beklagte (unter Androhung näher beschriebener Ordnungsmittel) zu verurteilen, es ab sofort zu unterlassen,

1. Damenhandtaschen, wie nachstehend (farbig) fotografisch abgebildet, auch in anderen Lederarten und Farben, feilzuhalten, zu bewerben, anzubieten und/oder sonstwie in Verkehr zu bringen;

2. der Klägerin (in näher beschriebenem Umfang) Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie Handlungen gem. vorstehendem Antrag zu I.1. vorgenommen hat,

II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, den diese durch die unter Ziff. I.1. genannten Handlungen erlitten hat oder noch erleiden wird.

Das LG hat Beweis erhoben zur Frage der wettbewerblichen Eigenart der Tasche der Klägerin durch Erholung eines demoskopischen Sachverständigengutachtens. Auf den Beweisbeschluss vom 2.3.2000 i.d.F. vom 5.4.2001 sowie vom 4.2.2002 wird Bezug genommen und hinsichtlich der Ergebnisse der Beweisaufnahme auf das schriftliche Sachverständigengutachten sowie das Protokoll über die mündliche Anhörung der Sachverständigen vom 22.10.202. Der Verkehrsbefragung liegen folgende Abbildungen, die der von der Klägerin als Anlage K 7 vorgelegten Photographie entsprechen, zu Grunde:

Das LG hat die Klage mit Urteil vom 5.12.2002, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, abgewiesen und ausgeführt, die Tasche der Klägerin sei nicht wettbewerblich eigenartig. Das Gutachten zeige, dass die Gestaltungselemente – sowohl jedes für sich als auch alle in ihrer Kombination – kein Herkunftshinweis auf das klägerische Unternehmen seien. Seit Jahrzehnten seien viele Damenhandtaschen mit den Formelementen, für die die Klägerin Schutz in Anspruch nehme, auf dem Markt.

Gegen eine vermeidbare Herkunftstäuschung spreche ferner, dass dem Verbraucher das Nebeneinander von „Originalen” und „Nachbauten” bekannt sei. Er wisse, dass er sich an Hand anderer Merkmale Klarheit über den Hersteller verschaffen müsse.

Daher sei auch nicht von einer Anlehnung an den guten Ruf der Klägerin oder Sittenwidrigkeit i.S.v. § 1 UWG auszugehen, denn der Verbraucher übertrage Gütevorstellungen, die er mit der klägerischen Handtasche verbinde, nicht auf die von der Beklagten angebotene Handtasche. Die Beklagte habe zudem davon ausgehen können, dass die Klägerin solche Nachahmungen allgemein hinnehme.

Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie meint, ihre Taschen der Modellreihe „Les Kellys” seien wettbewerblich eigenartig, denn ihre Gestaltungsmerkmale wiesen auf die Herkunft aus dem Unternehmen H. hin. Die „Kelly-Bag” unterscheide sich in Design, Machart und Qualität deutlich von allen vergleichbaren Taschen der Wettbewerber. Sie weise einen keilförmigen Körper, einen oben auf der Tasche angebrachten Griff, eine gerade Lasche, die den oberen Bereich der Taschenvorderseite bedecke und die von einem „Taschengürtel” gehalten werde, auf. In dessen Höhe sei die Lasche auf beiden Seiten rechteckig ausgeschnitten; der Taschengürtel sei zweigeteilt; seine beiden Teile verliefen jeweils vom äußeren Rand der Tasche...

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