Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollkaskoversicherung, Mithaftung, Unfall, Parkplatz, Geschwindigkeit, Kollision, Mindestabstand
Normenkette
EGZPO § 26 Nr. 8; StVG § 17 Abs. 1-2; StVO § 1 Abs. 2, § 9 Abs. 5; ZPO § 543 Abs. 2 Nr. 1, § 708 Nr. 10, §§ 711, 713
Verfahrensgang
LG München II (Urteil vom 06.07.2017; Aktenzeichen 3 O 5197/15) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten vom 02.08.2017 wird das Teilanerkenntnis- und Endurteil des LG München II vom 06.07.2017 (Az. 3 O 5197/15) in Nr. I. bis IV. abgeändert und wie folgt neu gefasst:
I. Die Beklagten werden verurteilt, samtverbindlich an die Klägerin 137,67 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 04.12.2015 zahlen.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten samtverbindlich verpflichtet sind, der Klägerin zu 70% den Betrag für die Haftpflicht- und Vollkaskoversicherung bei der Beklagten zu 1) ab 09.07.2015 für die Dauer der Versicherung des PKW, amtl. Kennzeichen ...18 bei der Beklagten zu 1) zu ersetzen, der sich ergibt aus der Differenz der Versicherungsprämien der bei der Beklagten zu 1) unter der Versicherungsnummer ...96-r abgeschlossenen Versicherungsverträge für den Pkw, amtl. Kennzeichen ...18 und den Prämien, die für die Versicherung des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen ...31 unter Berücksichtigung der Höherstufung wegen des streitgegenständlichen Verkehrsunfalles in der Haftpflichtversicherung und unter Berücksichtigung eines Höherstufungsanteils von 30% in der Vollkaskoversicherung zu zahlen gewesen wären.
III. Im Übrigen wird und bleibt die Klage abgewiesen.
IV. Von den Kosten der ersten Instanz tragen die Klägerin 4/5 und die Beklagten samtverbindlich 1/5.
Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen
2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 7/10 und die Beklagten samtverbindlich 3/10.
3. Das vorgenannte Urteil des Landgerichts sowie dieses Urteil sind jeweils ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).
B. Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg, die Anschlussberufung hat keinen Erfolg.
I. Die Anschlussberufung mit dem Ziel einer geringeren Mithaftung der Klägerin als 30% war erfolglos und zurückzuweisen.
1. Im Rahmen der nach § 17 I, II StVG gebotenen Abwägung der beiderseitigen Mitverursachungs- und Verschuldensanteile ist von Folgendem auszugehen:
a) Der Unfall ereignete sich auf einem Parkplatz ohne jegliche Markierungen oder bauliche Abhebungen zwischen einer Fahrtrasse und Parkflächen. Die Regeln der Straßenverkehrsordnung sind auf dem - hier vorliegenden - öffentlich zugänglichen Parkplatz grundsätzlich anwendbar. Teilweise wird hieraus gefolgert, § 9 V StVO, wonach sich der Fahrzeugführer beim Rückwärtsfahren so verhalten muss, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist, und er sich erforderlichenfalls einweisen lassen muss, sei auch auf Parkplätzen unmittelbar anwendbar. Die wohl überwiegende Auffassung stellt darauf ab, dass die Vorschrift primär dem Schutz des fließenden und deshalb typischerweise schnelleren Verkehrs dient und mithin bei einem Parkplatzunfall nicht unmittelbar anwendbar ist (vgl. OLG Koblenz, DAR 2000, 84; OLG Stuttgart, NJW 2004, 2255, 2256; OLG Jena, NZV 2005, 432; OLG Dresden, NZV 2007, 152; OLG Saarbrücken, NJW-RR 2015, 223 Rn. 29 ff.; LG Saarbrücken, NJW-RR 2013, 541 f.; DAR 2013, 520, 521; NJW-RR 2014, 1310). Auf Parkplätzen ohne eindeutigen Straßencharakter - wie vorliegend - sei anstelle des § 9 V StVO das Gebot der allgemeinen Rücksichtnahme nach § 1 II StVO zu beachten. Danach muss sich ein Verkehrsteilnehmer so verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als unvermeidbar behindert oder belästigt wird. Nach dieser Auffassung soll die Vorschrift des § 9 V StVO bei Unfällen auf Parkplätzen allerdings mittelbar anwendbar oder deren Wertung im Rahmen der Pflichtenkonkretisierung nach § 1 II StVO zu berücksichtigen sein. Da auf Parkplätzen stets mit ausparkenden und rückwärtsfahrenden Fahrzeugen zu rechnen sei, müssten Kraftfahrer hier so vorsichtig fahren, dass sie jederzeit anhalten könnten (vgl. OLG Köln, VersR 1995, 719; KGR Berlin 2000, 401, 404 und VRS 104, 24, 26; OLG Koblenz, VersR 2001, 349, 350; OLG Hamm, VRS 99, 70, 71; LG Saarbrücken, NJW-RR 2012, 476, 477 und NJW-RR 2013, 541, 542; Freymann, DAR 2013, 73). Das gelte in besonderem Maße für den rückwärtsfahrenden Verkehrsteilnehmer. Bei ihm sei die besondere Gefährlichkeit des Rückwärtsfahrens mit einzubeziehen, die wegen des eingeschränkten Sichtfeldes des Rückwärtsfahrenden für den rückwärtigen Verkehr bestehe. Entsprechend der Wertung des § 9 V StVO müsse er sich deshalb so verhalten, dass er sein Fahrzeug notfalls sofort...