Entscheidungsstichwort (Thema)
Verloren gegangene Sendung; Scheckeinlösung als Annahme eines Abfindungsangebots
Leitsatz (amtlich)
Die Übersendung eines Schecks durch einen Paketdienst an einen aktivlegitimierten Empfänger einer verloren gegangenen Sendung über die (vermeintliche) Haftungshöchstsumme unter Hinweis darauf, dass mit der Einlösung alle Ansprüche aus diesem Schaden abgegolten seien, ist nicht geeignet, die Scheckeinlösung als Annahme eines Angebots auf Abfindung eines - gem. Art. 29 CMR voll zu ersetzenden - um ein Vielfaches höheren Schadens erscheinen zu lassen.
Verfahrensgang
LG München II (Urteil vom 15.01.2004; Aktenzeichen 4 HKO 6567/02) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des LG München II vom 15.1.2004 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 92.316,19 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 10.6.2002 zu bezahlen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Beklagte ist die holländische Niederlassung einer weltweit tätigen Transportfirma mit dem Schwerpunkt Lufttransporte. Die Klägerin verlangt als Transportversicherer aus übergegangenem und abgetretenem Recht Ersatz eines Transportschadens.
Die Beklagte hat bei einer Firma für Edelmetalle in Amsterdam am 13.5.2002 drei Pakete mit dem Totalgewicht von 17,9 kg und den Maßen 41 × 41 × 11 cm mit dem Auftrag übernommen, sie zu einer Kunstprägeanstalt in Karlsfeld zu befördern. Wie im Laufe des Rechtsstreits unstreitig geworden ist, hat die Beklagte davon lediglich ein Paket abgeliefert. Der Transport erfolgte im Luftfrachtersatzverkehr mit Lkw. Etwaige Ersatzansprüche hat die Empfängerin an die Klägerin abgetreten.
Mit Begleitschreiben vom 19.6.2002 (Anlage K11) hat die deutsche Niederlassung der Beklagten der Versicherungsnehmerin der Klägerin "zur Regulierung des ... Schadens" einen Verrechnungsscheck i.H.v. 205,95 Euro übermittelt. Der letzte Absatz dieses Schreibens, den die Beklagte auch bei anderen Schadensfällen regelmäßig verwendet, lautet:
"Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass mit der Einlösung des Schecks alle Ansprüche aus diesem Schaden abgegolten sind. Eine separate Gegenbestätigung Ihrerseits ist für uns nicht erforderlich."
Die Klägerin macht geltend, die verloren gegangen Packstücke hätten 240 Goldronden, das sind ungeprägte Goldmünzen, mit einem Wiederbeschaffungswert (Goldpreis zzgl. Formkosten von 1.008 Euro) i.H.v. 92.522,14 Euro enthalten. Mit ihrer Klage verlangt sie unter Berücksichtigung der Teilleistung der Beklagten Zahlung von 92.316,19 Euro nebst Zinsen.
Die Beklagte ist der Klageforderung entgegengetreten und hat neben umfangreichem Bestreiten vor allem geltend gemacht, durch die Einlösung des Schecks sei zwischen der Versicherungsnehmerin der Klägerin und ihr eine Abfindungsvereinbarung zu Stande gekommen, die weiter gehende Ansprüche ausschließe.
Wegen der Einzelheiten bezüglich des Verfahrens in I. Instanz wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Feststellungen des Urteils LG München II vom 15.1.2004 Bezug genommen.
Das LG hat drei Zeugen vernommen und sodann mit seinem Endurteil vom 15.1.2004 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Versicherungsnehmerin der Klägerin habe sich mit der Beklagten bindend auf eine Abfindung von 205,95 Euro geeinigt. Nach der tatsächlichen Abwicklung sei die Versicherungsnehmerin der Klägerin kein Opfer einer treuwidrig aufgestellten Verzichtsfalle geworden.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin mit dem Antrag, das Urteil des LG München II vom 15.1.2004 aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung von 92.316,19 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 10.6.2002 zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Ergänzend wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze und auf den Inhalt des Protokolls über die mündliche Verhandlung vor dem Senat vom 9.7.2004 Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.
1. Der streitgegenständliche Transport unterliegt ungeachtet des ausgestellten Luftfrachtbriefs (Anlage K1) der CMR als dem Recht der tatsächlichen Beförderungsart (vgl. BGH v. 17.5.1989 - I ZR 21/87, TranspR 1990, 19; Koller, TranspR, 5. Aufl., § 407 HGB Rz. 26). Das Montrealer Übereinkommen 1999 ist noch nicht anwendbar.
Soweit die CMR keine Regelungen enthält oder Bestimmungen des nationalen Rechts nicht ausschließt, war deutsches Recht anzuwenden. Die Parteien haben gem. Art. 27 EGBGB zumindest nachträglich stillschweigend ergänzend deutsches Recht vereinbart. Dafür spricht schon, dass vorprozessual über die Regulieru...