Leitsatz (amtlich)
1. Geographische Angaben sind sonstige ältere Rechte i.S.d. § 13 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG.
2. Es obliegt der Kommission, festzustellen, ob die tatsächlichen Voraussetzungen zur Aufnahme einer Bezeichnung in das von der EG-Kommission (im Anhang der VO (EG) 1107/96) geführte Verzeichnis der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der geschützten geographischen Angaben und der geschützten geographischen Angaben vorliegen; es kommt nicht auf Beweggründe einer nationalen Regierung bei Antragstellung an.
3. Ausschlaggebend für die Priorität einer geographischen Angabe ist gem. Art. 14 Abs. 1 VO (EG) 2081/92 der Tag der Antragstellung auf Aufnahme in die Liste. Eine nachträgliche Änderung des Antrags ist für den Prioritätszeitpunkt unschädlich.
4. Die Wort-Bild-Marke ... verletzt mit ihrem Bestandteil BAVARIA BEER die geschützte geographische Angabe "Bayerisches Bier", jedenfalls soweit diese für Bier eingetragen ist.
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 02.10.2003; Aktenzeichen 7 O 16532/01) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG München I vom 2.10.2003 und die Hilfswiderklage werden zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
I. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung seitens des Klägers wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Der Kläger ist der Dachverband der bayrischen Brauwirtschaft. Auf seine Anregung hin hat die Bundesregierung am 20.1.1994 die Bezeichnung "Bayerisches Bier" zur Eintragung in das von der EG-Kommission (im Anhang der VO (EG) 1107/96) geführte Verzeichnis der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der geschützten geografischen Angaben und der geschützten geographischen Angaben angemeldet (Anlage K 32).
Nach Notifizierung des Eintragungsantrags am 26.1.1994 hatten die dänischen und niederländischen Behörden - im Hinblick auf in ihren Ländern bestehende ältere Markenrechte mit dem Bestandteil "Bavaria" bzw. "Bajer" - Bedenken gegen die Registrierung angemeldet. Erst nach mehrjährigen Beratungen hat der Rat die Bezeichnung "Bayerisches Bier" mit VO (EG) 1347/01 vom 28.6.2001 (Anlage K 2) als geschützte geographische Angabe der VO (EG) 2081/92 unterstellt.
Die Beklagte, eine niederländische Bräuerei, hält neben verschiedenen Benelux-Marken mehrere IR-Marken. Von 1947 bis 1987 hielt sie andere deutsche Marken, die ebenfalls jeweils den Zeichenbestandteil BAVARIA aufweisen. Sie ist Inhaberin der streitgegenständlichen Marke:
...
die unter Inanspruchnahme der Benelux-Priorität vom 28.4.1995 am 6.10.1995 für "bieres; eaux minérales et gazeuses et autres boissons non alcooliques; boissons de fruits et jus de fruits; sirops et autres préparations pour faire des boissons" mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland registriert wurde (Anlage K 3).
Das LG hat die Beklagte mit Urteil vom 2.10.2003, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), verurteilt, in die Schutzentziehung der streitgegenständlichen IR-Marke 645 349 für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einzuwilligen.
Dies ist damit begründet, der Rat habe die geographische Angabe "Bayerisches Bier" zu Recht in den Anhang der VO (EG) 1107/96 aufgenommen. Ihr komme zeitlicher Vorrang vor der streitgegenständlichen Marke der Beklagten zu. Für die Prioritätsfestlegung sei der Zeitpunkt der fristgerechten Einreichung des Antrags maßgeblich. Die Beklagte habe keine Tatsachen vorgetragen, die den Erwerb prioritätsälterer Rechte belegten. Ob eine prioritätsältere Markeneintragung in einem anderen EU-Mitgliedsstaat genüge, könne offen bleiben, denn klagegegenständlich sei allein der deutsche Teil der IR-Marke.
Die Wort-Bild-Marke der Beklagten verletze die geographische Angabe "Bayerisches Bier" jedenfalls soweit sie für Bier eingetragen sei. Art. 13 Abs. 1 lit. b VO (EG) Nr. 2081/92 schütze gegen Nachahmung oder Anspielung; Verwechslungsgefahr müsse nicht bestehen.
Ein unverhältnismäßiger Eingriff in eine eigentumsrechtliche Position der Beklagten sei mit der Entscheidung nicht verbunden. Jeder Markeninhaber sei Löschungsklagen bzw. Klagen auf Schutzentziehung ausgesetzt. Hier sei ferner zu berücksichtigen, dass die Beklagte nicht auf die Rechtsbeständigkeit der Marke vertrauen habe können.
Gegen die Gültigkeit der angewendeten Vorschriften des europäischen Rechts bestünden keine Bedenken, zumal sie der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften auf ihre Rechtsbeständigkeit hin bereits mehrfach überprüft habe.
Auch dass Bier unter die Verordnung falle und das allgemeine Verfahren habe er bereits geprüft und keine Rechtsverletzungen festgestellt. Er habe ferner klargestellt, dass es der Kommission obliege, festzustellen, ob die ...