Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkehrssicherungspflicht: Erforderlichkeit einer Schutzvorrichtung gegen die Bildung von Eiszapfen an einem Anwesen in Passau; Verantwortlichkeit des Hausverwalters; Schmerzensgeld für eine schwere Augenverletzung durch einen herabfallenden Eisbrocken
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1, § 253
Verfahrensgang
LG Passau (Urteil vom 22.10.2012; Aktenzeichen 4 O 529/10) |
Tenor
I. Auf Berufung der Beklagten zu 2 wird das Urteil des LG Passau aufgehoben und in Ziff. 1 bis 4 wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an den Kläger 7.783,42 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.3.2010 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1 verpflichtet ist, dem Kläger alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, soweit diese auf den Schadensfall vom 20.1.2010 zurückgehen und nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
3. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an den Kläger 1.105,51 EUR an außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu zahlen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Berufungen des Klägers und der Beklagten zu 1 werden zurückgewiesen.
III. Von den Gerichtskosten des Rechtstreits tragen der Kläger 57 % und die Beklagte zu 1 43 %. Der Kläger trägt 15 % der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 sowie die vollen außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2. Der Beklagte zu 1 trägt 43 % der außergerichtlichen Kosten des Klägers. Im Übrigen tragen der Kläger und die Beklagte zu 1 ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Das Urteil und das in Ziff. I. genannte Urteil des LG Passau sind vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsgegner kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die vollstreckende Partei vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger macht gegenüber den Beklagten Ansprüche im Zusammenhang mit einem Unfall durch einen abgebrochenen Eisbrocken in Passau geltend.
Die Beklagte zu 2 ist Eigentümerin der Anwesen S. gasse 19/21 in P. Die Anwesen grenzen unmittelbar aneinander. Zwischen den angrenzenden Dächern der beiden Anwesen verlaufen zwei Grabenrinnen senkrecht zur S. gasse, wobei sich am Ende Rinne des Anwesens 21 weder ein Schneefanggitter noch ein Rinnenkessel befindet. Die Rinne der traufseitigen Dachfläche liegt unterhalb der Grabenrinne, der Schneefänger der waagrecht zur S. gasse gelegenen Dachseite endet seitlich an der Grabenrinne (Bilder 1-3 des Sachverständigengutachtens Dipl.-Ing. S. vom 27.7.2011).
Die Beklagte zu 2 übertrug mit Vertrag vom 9.9.2008 der Beklagten zu 1 die Erledigung aller Angelegenheiten, die zur ordnungsgemäßen Verwaltung der Anwesen notwendig sind. Unter B "Technische Verwaltung" ist geregelt, dass die Beklagte zu 2 zur laufenden Überwachung des baulichen Zustandes und Vergabe notwendiger Reparaturmaßnahmen verpflichtet ist (Anlagen BLD 1, 2).
Mit Vertrag vom 25.9.2009 betraute die Beklagte zu 1 den Hausmeisterservice F. mit der Betreuung der Objekte. Als Einzelaufgabe des Hausmeisters ist in dem Vertrag u.a. die Schnee- und Eisbeseitigung auf dem Weg zur Haustür und im Innenhof und auf dem an das Gebäude angrenzenden Gehweg benannt.
Der Kläger wurde am 20.1.2010 gegen 11.30 im Bereich des Anwesens S. gasse 21 von einem herabfallenden Eisbrocken am rechten Auge getroffen, wobei er Verletzungen am Auge erlitt und seine Brille zerstört wurde.
Der Kläger hat vor dem LG vorgetragen:
Er sei von einem Eisbrocken, der vom Dach des Anwesens S. gasse 21 heruntergefallen sei, am rechten Auge getroffen worden. Er habe dann am Auge stark geblutet, eine Allgemeinärztin habe ihn erstversorgt, er sei noch am 20.1.2010 zu seinem Augenarzt gegangen, er habe eine Glaskörperabhebung und eine Glaskörpertrübung aufgrund der Schlieren erlitten. Es bestünde die Gefahr einer Netzhautablösung, die im schlimmsten Fall auch zukünftig zu einer Erblindung des rechten Auges führen könnte. Die Verletzungen seien gravierend und schmerzhaft und würden ihn auch in seiner beruflichen Tätigkeit beeinträchtigen, ebenso werde er in der Freizeit beeinträchtigt, da er Sportschütze sei. Er leide infolgedessen an Zukunftsängsten, sein Tinnitus habe sich verstärkt, eine Vitrektomie, also die chirurgische Entfernung des Glaskörpers sei mit Schmerzen und postoperativen Risiken behaftet.
Die Beklagten hätten ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt, sie hätte zumindest auf die Gefahr von Dachlawinen hinweisen, oder das Dach beobachten müssen. Entsprechende Fanggitter hätten montiert werden müssen. Die Beklagte zu 1 hafte als Verwalterin des Grundstücks, da die Verkehrssicherungspflichten auf sie übertragen worden seien. Die Beklagte zu 2, die die Verkehrssicherungspflichten übertragen habe, hätte aber eine Kontroll- oder Überwachungspflicht getroffen. Dieser sei sie offenbar nicht nachgekommen. Sie hätte ü...