Verfahrensgang

LG Traunstein (Entscheidung vom 21.04.2010; Aktenzeichen 3 O 3564/08)

 

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass die Beklagten samtverbindlich verpflichtet sind, dem Kläger über die anerkannten 50 % und über die Haftungshöchstgrenzen des § 12 StVG hinaus den materiellen und immateriellen Schaden, der dem Kläger auf Grund des Verkehrsunfalls vom 01.09.2006 vor dem Anwesen G.straße 29 in B. entstanden ist und in Zukunft noch entstehen wird, zu 100 % zu ersetzen.

II. Die Beklagten werden darüber hinaus verurteilt, an den Kläger samtverbindlich außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 4.658,61 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 29.10.2008 zu bezahlen.

III. Die Beklagten tragen samtverbindlich die Kosten des Rechtsstreits.

Die Anschlussberufung der Beklagten vom 24.08.2010 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagten tragen samtverbindlich die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten um die Verschuldensanteile des Klägers und der Beklagten zu 1) aus einem Verkehrsunfall. Der Kläger begehrt Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten zu 100 %, die Beklagten wenden u.a. ein Mitverschulden des Klägers ein und erkannten ihre Haftung vorprozessual zu 50 % an. Der Kläger fuhr am 01.09.2006 gegen 08.45 Uhr mit seinem Motorrad Honda CBR 600 F, welches nicht mit einer ABS- Bremsanlage ausgestattet war, auf der G.straße in B. in westlicher Richtung. In der Gegenrichtung (Richtung Berchtesgaden) fuhr die Beklagte zu 1) mit ihrem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw Seat, amtl. Kennzeichen ...64, um auf Höhe des Anwesens Nr. 29 nach links in einen der dort direkt an die Straße angrenzenden freien Parkplätze vor dem Gebäude der örtlichen Sparkasse auf dem dortigen Grundstück einzubiegen. Der Zeuge St. wollte mit seinem Pkw Nissan, amtl. Kennzeichen ...37 rückwärts aus einem der Parkplätze ausfahren, er befand sich bereits im Fahrzeug. Die Beklagte zu 1), die den herannahenden Kläger nicht wahrgenommen hatte, fuhr über die Fahrbahnmitte, der Kläger bremste und kam mit seinem Motorrad zu Sturz. Während das Motorrad auf der Fahrbahn weiter und gegen den Pkw des Zeugen St. rutschte, prallte der Kläger auf seiner Fahrbahnseite mit der Front des Pkw Seat zusammen, wodurch er u.a. eine Fraktur des 12. Brustwirbels und eine Querschnittslähmung erlitt.

Der Kläger trägt vor, der im gegen die Beklagte zu 1) geführten Ermittlungsverfahren 340 JS 40018/06 Staatsanwaltschaft Traunstein tätige Sachverständige Dipl.-Ing. K. sei zu einer zu hohen Kollisionsgeschwindigkeit von 60 km/h bis 68 km/h gelangt, weil er von Verzögerungswerten ausgegangen sei, die nur bei optimaler Bremsung erzielbar seien; der Kläger habe keine Hinterradbremsung durchgeführt.

Die Beklagten tragen vor, die Sichtbehinderung durch Nebel und Sonneneinstrahlung sei nicht so gewesen, dass man einen Motorradfahrer im Gegenverkehr nicht hätte wahrnehmen können. Sie verteidigen das Ergebnis des im Ermittlungsverfahren erholten Gutachtens zur Ausgangsgeschwindigkeit des Klägers (Anl. K 3 zur Klageschrift = Bl. 1/11 d.A.) Der Kläger sei viel zu schnell gefahren; hätte er die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h eingehalten, hätte er eine Kollision sturzfrei vermeiden können. Auch habe nicht der Abbiegevorgang der Beklagten zu 1) die Bremsung des Klägers ausgelöst, sondern das Verhalten des Zeugen St., der rückwärts vom Parkplatz der Sparkasse ausparken wollte und bereits gefahren sei oder jedenfalls den Rückwärtsgang eingelegt habe. Die Beklagte zu 1) habe in der Mitte der Fahrbahn noch auf ihrer Fahrbahnseite angehalten und sei dann losgefahren.

Der Sachverständige berücksichtige nicht, dass der Pkw von der Kollisionsstelle bis zum Erreichen der dokumentierten Endstellung noch weitergefahren sei. Berücksichtige man die Rutschverzögerung des Klägers, ergebe sich eine Kollisionsgeschwindigkeit des Klägers mit dem Pkw von nur 17,86 km/h, was die schweren Verletzungen nicht erklären könne. Von einem blockierenden Vorderrad könne angesichts der diagonalen Spuren am Vorderrad nicht ausgegangen werden.

Hinsichtlich des weiteren Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 21.04.2010 (Bl. 109/115 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

Das LG hat nach Anhörung der Parteien, Einvernahme von Zeugen und Erholung eines Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. Sp. nebst Ergänzung und mündlicher Anhörung die Beklagten verurteilt, dem Kläger den unfallbedingten materiellen und immateriellen Schaden über die vorprozessual anerkannten 50 % hinaus zu 80 % zu erstatten, hat v...

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