Leitsatz (amtlich)

1. Eheleute mit ständigem Aufenthalt auf dem Gebiet der damaligen DDR konnten am 22.08.1990 (vor dem Wirksamwerden des Beitritts) nicht durch einen Erbvertrag letztwillig verfügen.

2. Ein nach dem Erbstatut der damaligen DDR unwirksamer Erbvertrag kann in ein gemeinschaftliches Testament der Eheleute i.S.v. § 389 Abs. 1 ZGB-DDR umgedeutet werden.

 

Verfahrensgang

AG Merseburg (Beschluss vom 01.02.2021; Aktenzeichen 4 VI 511/94)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) bis zu 3) gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Merseburg vom 1. Februar 2021 wird zurückgewiesen.

Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten der Beteiligten findet nicht statt.

 

Gründe

A. Der Erblasser war zum Zeitpunkt seines Ablebens mit der Beteiligten zu 1) verheiratet und hatte zwei Söhne, die Beteiligten zu 2) und zu 3). Er hinterließ kein Testament.

Auf Antrag des Beteiligten zu 2) erteilte das Nachlassgericht am 06.05.1994 einen gemeinschaftlichen Erbschein, welcher die Beteiligte zu 1) als Erbin zu einem 1/2 Anteil und die Beteiligten zu 2) und zu 3) jeweils als Erben mit einem 1/4 Anteil auswies. Dem Erbschein lag die Annahme einer gesetzlichen Erbfolge zugrunde.

Am 08.12.2020 hat das Amtsgericht - Nachlassgericht - Halle (Saale) den in besonderer amtlicher Verwahrung befindlichen Erbvertrag zu UR Nr. 132/90 des Notars E. B. vom 22.08.1990 als Verfügung von Todes wegen eröffnet. Der beurkundende Notar war Notar im Bezirk des Oberlandesgerichts Düsseldorf mit Amtssitz in Emmerich und nahm die Beurkundung in Halle (Saale) vor. In dem zwischen dem Erblasser und den Beteiligten zu 1) bis zu 3) geschlossenen Erbvertrag setzten sich die Eheleute wechselseitig zu Alleinerben des Erstversterbenden ein (Ziffer I). Der Letztlebende berief "mit erbvertraglich bindender Wirkung und ohne Anfechtungs- und Widerrufsrecht auch im Falle seiner Wiederverheiratung oder des Hinzutretens sonstiger Pflichtteilsberechtigter" die Beteiligten zu 2) und zu 3) als Schlusserben zu gleichen Teilen, ersatzweise jeweils deren Abkömmlinge (Ziffer II). Die Beteiligten zu 2) und zu 3) verzichteten jeweils auf ihr Pflichtteilsrecht nach dem Tod des Erstversterbenden (Ziffer IV). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte 04 IV 205/20 - AG Merseburg - Bezug genommen.

Das Nachlassgericht hat mit seinem Beschluss vom 01.02.2021 den Erbschein vom 06.05.1994 eingezogen und der Beteiligten zu 1) die Kosten der Einziehung auferlegt.

Gegen diese, ihnen am 12.02.2021 zugestellte Entscheidung wenden sich die Beteiligten mit ihrer am 17.02.2021 vorab per Fax beim Nachlassgericht eingegangenen Beschwerde. Sie meinen, dass der Erbvertrag unwirksam sei. Der beurkundende Notar sei nicht im Amtsbezirk des damaligen Bezirksgerichts Halle zugelassen gewesen. Zudem habe das bis zum 02.10.1990 geltende DDR-Recht einen Erbvertrag nicht gekannt.

Das Nachlassgericht hat mit seinem Beschluss vom 28.02.2021 dem Rechtsmittel nicht abgeholfen, ohne auf das Beschwerdevorbringen einzugehen, und die Sache dem Oberlandesgericht Naumburg zur Entscheidung vorgelegt.

B. I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) bis zu 3) ist zulässig, insbesondere ist sie nach § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und die nach § 61 Abs. 1 FamFG notwendige Mindestbeschwer ist überschritten. Die Beschwerdefrist des § 63 Abs. 1 FamFG ist gewahrt worden.

II. Das Rechtsmittel hat in der Sache im Ergebnis keinen Erfolg.

1. Allerdings leidet die angefochtene Entscheidung an einem schwerwiegenden Verfahrensfehler; sie ist unter Verletzung des Anspruchs sämtlicher Beteiligter auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG ergangen. Vor einer Entscheidung über die Einziehung des gemeinschaftlichen Erbscheins wäre jedenfalls hier, wo keine Eilbedürftigkeit vorlag, eine vorherige Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben gewesen. Dann hätten die von den Beteiligten mit der Beschwerde vorgebrachten Einwendungen bereits vor dem Erlass des Beschlusses geprüft werden können und müssen. Nach dem Erlass der Entscheidung hat das Nachlassgericht den schwerwiegenden Verfahrensfehler fortgesetzt, indem es seine Nichtabhilfe mit einem Verweis auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung gerechtfertigt hat. Dieser Verweis war vollkommen inhaltsleer, weil sich das Nachlassgericht darin nicht mit den noch nicht erhobenen Einwendungen auseinandergesetzt hatte.

2. Die Einziehung des gemeinschaftlichen Erbscheins vom 06.05.1994 war jedoch materiell-rechtlich begründet.

Nach § 2361 Satz 1 BGB ist ein bereits erteilter Erbschein einzuziehen, wenn das darin verbriefte Zeugnis über das Erbrecht inhaltlich unrichtig ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die im Erbschein ausgewiesene Erbfolge entsprach nicht dem zur Zeit des Erbfalls geltenden Erbrecht.

a) Die Erbfolge nach dem Erblasser bestimmt sich nach der auslegungsbedürftigen letztwilligen Verfügung vom 22.08.1990.

aa) Nach Art. 235 § 2 Satz 1 EGBGB bleibt für die Errichtung einer Verfügung v...

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